Mueller und die Tote in der Limmat
an der irischen See, wo wie eine Zunge an den Felsen leckt. Denken Sie also nicht, nur weil Müller in seinen Geschichten immer in Zürich ist, dieser Polizeimann ist etwas einfältig. Das wäre falsch. Weil, warum sich auf die Ferne versteifen, sieh, das Gute liegt schon da. Und er hat nichts gegen Afrika und gestreifte Sonnenschirme und den Palazzo Capecci und die Tate Modern und die irische See. Das alles ist einfach achtundvierzig Wochen im Jahr weit weg, und die Stadt Zürich ist achtundvierzig Wochen im Jahr ganz nah. Und ebenfalls nah sind achtundvierzig Wochen im Jahr Franz Schubert, der in der «Internationalen Clearingzentrale» die Nummern sucht, verarbeitet, einträgt, mutiert und weiterprozediert; und Christoph Weiss, der mit «Bretzeli.ch» seine kreativen Lösungen für eine weitverzweigte Kundschaft und Vernetzung interaktiver Geschäftsressourcen zwecks Synergieeffizienz in ganz Europa erarbeitet; und Bucher Manfred und sein Lieblingsrestaurant «Krokodil»; und natürlich die Polizei, die ihn ernährt; mit den Filzpantoffeln wegen Trittschall gegen die Nachbarin von unten; und der Rock ’n’ Roll und Sandra und das Verbrechen. Trotzdem ist Zürich schön, einfach anders als Afrika. Ende Exkurs.
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Man fragt sich vielleicht schon: Was, bitte, ist an der Stadt Zürich so schön, dass du das immer sagst? Nicht einmal, nicht zweimal, sondern nochmals und nochmals. Ist doch ständig von Verbrechen die Rede. Und heute sogar Brachialgewalt am helllichten Vorabend auf den Strassen von Zürich gegen den Müller. Was soll daran so schön sein?
Ich sag’s dir: Ist topografisch schön, so mit Hügeln und See und Flüssen, nicht einem, sondern zweien. Und: Es ist da immer Sommer und leichte Bekleidung in unserer Geschichte.
Und ich höre auch die Frage: Ist Franz Schubert, ist die Nachbarin von unten, sind die Lärmkinder vom Schulhaus, ist Christoph Weiss, sind sie alle sachdienlich ? Ich weiss es nicht. Sicher ist: privates Umfeld ist wichtig. Weil persönlich und Wärmestube in schrecklich grosser Welt. Damit der Müller Beni nicht durchdreht. Aber er ist stark wie ein Ross. Ich meine: Das stellst du nicht unbedingt auf Facebook, dass du ganz allein und mit Schusswaffentrauma bist. Weil dort in der elektronischen Welt sind alle toll. Das ist schön, aber nicht wahr. Und hier und im Leben geht es um dieses Wahr. Und darum sind Franz Schubert und Christoph Weiss auch wichtig, weil polizeifremd → ermittlungsfern → kriminallfallhandlungsstrangfern. Aber wichtig trotzdem, weil sie zum richtigen Leben gehören.
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Unterdessen « K i FF » in Aarau. Nicht illegal. Nicht Hasch. Sondern umgebaute Futterfabrik. K i FF ist Abkürzung: «Kultur in Futter-Fabrik». Ist in Aargau-Kapitale, Heimatkanton vom Müller Benedikt. Aber andere Region, wenn Sie verstehen, was ich meine. Historisch protestantisch, nicht wie der Müller selbst. Ist nicht mehr so wichtig heute, ob protestantisch oder römisch-katholisch, weil sowieso alle Gläubigen fluchtartig weg sind aus der Kirche und heute Ex-Gläubige sind. Aber unser Polizeimann in Suspension weiss nichts von diesem Konzert in der Industriezone. Ja, die Stadt macht manchmal schon etwas für die Jungen, sogar in der Aargau-Metropole. Im « K i FF », da spielt die Band Spitfire am Abend vor sechshundertzehn Zuschauern ein gutes Konzert. Glaubst du kaum, dass so viele aufs Mal Platz haben, da draussen in Industriezone. Sänger Mark Huber bekommt unter den präventiv bösen Blicksalven von Oberarmmonster Goran Krstic, Nerd Stefan Meier, «Trujillo» Hanspeter «Hausi» Sollberger und Bassist René Gabathuler die Songs recht gut hin, verfehlt nicht einmal beim selbst den Skandinavierinnen und Skandinaviern geläufigen Bulldozer-Song «When Death Cometh To Zurich-Leimbach» die Einsätze und Töne. Publikum angetan. Aber hinterher knirscht die Band mit den Zähnen. Weil der Sänger wieder sofort nach der letzten Zugabe wegsaust. Band dagegen ins Hotel. Müde. Schlafen.
Die «Aargauer Post» (Auflage 99.761, beglaubigt) schreibt am nächsten Tag. Also schon am Abend elektronisch, aber erst am nächsten Tag auf Papier.
Spitfire im K i FF in Aarau: SCHWERES BLUT
«Bleierne Welt, bleiernes Herz, kalte Welt, laute Musik, dunkle Welt, Flammen, Blitze, Rauch: Spitfire . Dienstagabend, das K i FF ist längst ausverkauft. Die fünf aus Zürich spielen mit den Instrumenten harten Stoff. Spitfire walzten mit ihrem Grossstadtrock das Kleinstadtpublikum nieder. Das tönt
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