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Mueller und die Tote in der Limmat

Mueller und die Tote in der Limmat

Titel: Mueller und die Tote in der Limmat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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Intuition, der Müller ist gut. Und kurz vor dem Einschlafen, also Kurzrückblende, merkt der Müller, dass er jetzt heute, also fast gestern, um genau zu sein, die Elisabethenstrasse vergessen hat: Molinari, Huber, Krstic. Weil gestern fand ausser der Befragung von Rockmanager Johnny Maurer und Musikjournalist Michael Hauser und Plattenfirmen-Holderegger auch der Wirbel mit dem riesigen Kleiderschrank mit Kugelkopf statt und mit Fäusten und Sebastian Fuhrer und dem lieben Freund und Kollegen Manfred.
    Und wir hören also regelmässige, tiefe Atemzüge aus dem Müller seinem Schlafzimmer. Bestimmt bekommt er auch heute wieder einen Traum. Ganz sicher. Aber es ist heute privat, und kein Wort von privat. Das müssen wir ihm für ihn selbst lassen, er braucht auch etwas für sich, wo wir ihm nicht die ganze Zeit im Nacken sitzen, weil wenn einer nie Ruhe hat und alles reglementiert und organisiert und eingezwängt in Hierarchien und unterjocht unter Sachzwänge und immer nur arbeiten, arbeiten ohne Selbständigkeit und ein böser Chef und auch sonst frustriert, dann wird er am Ende noch ein Hooligan oder putzt mit dem Schiessgewehr die ganze Etage und alle Menschen, welche die da weilen, hinweg. Und das brauchen wir nicht, das können wir nicht brauchen, das wollen wir nicht, denn wir brauchen den Müller noch, um diesen Fall zu lösen. Er schläft also.
    Und vor der Elisabethenstrasse am nächsten Tag strömen die 182 Zentimeter von Müller zuerst um die Ecke in die Ankerstrasse zu Rockmanager Johnny Maurer. Mal schon wieder vorbeischauen.
    Reine Polizeitaktik ist das. Verwirrung durch Wiederholung. Nicht in Ruhe lassen. Dranbleiben. Diesmal ist Johnny gesprächiger, weil aufgeschreckt, weil der Müller erneut wieder da und der heute so richtig amtlich-offiziell mit Siezen und so auf ihn zukommt. Siezen manchmal brutal wie ein Schlag ins Gesicht, a) phonetisch, weil scharfe Zischlaute; und b) weil im Rock ’n’ Roll-Milieu alle immer nur du, du, du, und deshalb plötzliches Sie so richtig furchteinflössend, ja, doch, ist nicht übertrieben: «Sie» ist fast wie eine Faustfeuerwaffe mit abgesägtem Lauf. Bös-bedrohliches Sie – und Johnny ist sofort auskunftsfreudig. Oder weckt zumindest diesen Anschein, weil der Müller natürlich nicht naiv.
    Johnny alias Hansueli: «Ja, ich mache das Management von Sandra, ja, das ist ein Verlust, aber mach Di … machen Sie sich» (schon gelernt) «keine falschen Vorstellungen, weil –»
    «Ja», sagt der Müller, «kleiner Markt, kleine Stückzahlen, kleines Geschäft, ich kenne dieses Chanson, aber wovon leben Sie wirklich?»
    Und dieses Sie, einsilbiges Personalpronomen, sticht wie ein rostiger Dolch in Johnnys Herz, weil schon Jahre im Geschäft und plötzlich wieder daran erinnert, dass ökonomisch nicht einfach, was sage ich: nicht einfach. Beschissen schwierig. Verzeihung. Irre schwierig, weil landauf, landab maximal zwanzig Konzerte pro Jahr und Band und davon nur zwanzig Prozent. Mein Gott, da bleibt nicht viel. Vor allem, weil nicht jede der Bands jedes Jahr eine neue Platte macht, und Johnny soll mitfinanzieren, sonst steigen sie aus, und wenn neue Platte, dann Kosten für Porto sauteuer, wegen Verschicken an Veranstalter, und Telefon, um Veranstalter anzurufen, und ein Auto mieten und Bier und Brot und Aufschnitt und Käse besorgen für die Probewochen vor der Tournee und Streit entschärfen, weil der Bassist charakterlich schwierig, und gebrochene Herzen trösten, weil dem Keyboarder die Freundin auf und davon gegangen ist mit dem Schlagzeuger einer anderen Band und sonstige Verwicklungen. Donnerszeug eben.
    «Ist keine ruhige Arbeit», sagt Johnny-Hansueli und sieht richtig elend aus, fast täte er mir leid, vielleicht verdiente er das Mitleid sogar, und Johnny fragt:
    «Wollen Sie einen Kaffee?»
    Und Müller verblüfft über die Freundlichkeit, aber eigentlich damit gerechnet, weil heute Methode «Beichtvater»: Vertrauen erlangen, Verständnis zeigen, mitfühlen, zum Plaudern bringen, zuhören, Sich-Merken, bei Bedarf und Sachlage sofort Handschellen zuschnappen lassen.
    «Gerne, Kaffee», sagt der Müller, «schwarz, bitte.» Und Kaffee aufgebrüht und eingeschenkt und der Müller: «Sandra und Sebastian?»
    Das ist natürlich ein Schlag mitten hinein.
    Und Johnny: «Dieser Schwachkopf!»
    Und Müller: «Wie das?»
    Und Johnny mischt direkte und indirekte Rede: Wie Sebastian versucht, selbst ein Management-Büro aufzutun und Sandra zum Wechsel bewegen

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