Mueller und die Tote in der Limmat
F. Hubacher an der Fröhlichkeit mitaufrüsten zu können. Wegen Kontakterei. Nun sein Ärger: dass ihm diese Idioten den Abend versauen, wo er doch mit Martina irgendwas Schönes unternehmen könnte. Sehr begreiflich.
Das war wie gesagt alles am Freitag, der schon in den Samstag überging. Du wirst sagen: Was für ein Tag. Ja, schon, kann man gerechterweise sagen. Und die tätliche Auseinandersetzungsrauferei an der Party, so richtig mit Faust und so, wird dem Müller, der ja eigentlich auch eingeladen gewesen wäre, aber nicht gekommen ist, schon noch ruchbar hinterbracht werden. Und die Polizei hat sowieso ihr Netz.
Und der Müller hätte die blutig tropfenden Nasen und den wund geprellten Monsterkopf am Bizeps von Johnny Maurer betrachtet, den schweren Atem der angesäuselten Faustkämpfer gehört und gedacht: Es gibt zwei Sorten Leute, nämlich solche und andere. Das ist klar. Und zu welcher Sorte sich jeder zählt, auch. Ist einer der beiden der Täter? Sind beide Täter? Doch Müller ist nicht vor Ort.
Also lassen wir den Freitag bei sich bewenden und die Ereignisse sacken, denn das Blatt wendet sich allmählich, wie jetzt schon viele Seiten es taten: Zuversicht, grundlose zwar, aber voller Vertrauen auf kommende Zukunft, erfüllt uns, die wir diese Geschichte lesen. Denn Müller, wie wir ihn bisher kennengelernt haben, scheint unbeirrt seinen Weg zu gehen, der ihm nicht Ziel ist, ist ja kein Zen-Meister, sondern einfach nur Weg, der für die Krakenarme des Verbrechens in der Stadt Zürich zur Sackgasse werden wird.
Denn das Böse siegt nicht, weil es nicht siegen darf.
Das sagt auch die Politik.
Dem Bösen wehren auch Bucher Manfred (97 Kilogramm) und seine Kollegen in Uniform und in Zivil. Alle Hierarchiestufen und Funktionen von der Spurensicherung bis zur Quartierwache, von Dr. Brenda Marquardt (noch immer am Pathologenkongress in Hamburg) bis zum (für die Öffentlichkeit) namenlosen Polizeiaspiranten ohne Winkel auf der Schulter.
Dem Bösen wehren wir und einige der Personen dieser Geschichte, zum Beispiel Tobias F. Hubacher, der Boulevardzeitungsmusikchef, das kann ich verraten, denn ich kenne den Schluss der Geschichte jetzt schon. Sonst könnte ich ja nicht darauf hinzielen beim Erzählen. Das ist nicht ganz wie in der realen Wirklichkeit, weil die Geschichte irgendwann zu Ende ist, aber das Leben geht weiter für alle, die in der Geschichte nicht tot geworden sind.
Samstag
Und dann gibt es Tage, man glaubt es kaum, aber man weiss, dass es stimmt, da passiert fast gar nichts.
Gut, eigentlich passiert schon einiges, aber nichts, was uns voranbringt in Richtung Gerichtsurteil. (Meinen wir vorerst.) Folgendes passiert: Polizeimann Bucher Manfred weckt den Müller morgens telefonisch. Zusammengefasst: Mark Huber wird noch immer gesucht, wird befragt, sobald festgenommen, Fahndung läuft. Also da ist nichts Neues.
Die unwiderstehlich mächtige Polizeimaschine ist angeworfen, trotz vieler Polizeibeamter jetzt auf Mallorca, Ibiza, Teneriffa und nicht hier in der Heimat, die ihrer bedürfte. Aber Arbeitsgesetz ist Arbeitsgesetz. Obligationenrecht ist Obligationenrecht. Ferientage stehen dem Arbeitnehmer zu. Ausser während eines Grossanlasses, aber das weiss man meist vorher. Mordermittlungen jedoch nicht.
Sobald festgenommen lässt man den Verdächtigen vor Verhör noch ein bisschen in der Zelle schmoren, und zwar auf der Sonnenseite Hauptwache. Ist ja Sommer und Hitze, und alle sagen laut und deutlich: «Ich habe heiss.» Schon ein bisschen gemein vom Bucher Manfred, das Hitzeaufenthaltsprojekt für den Mutmasslichen. Aber was willst du: Auch die Büros der Kriminalpolizei befinden sich mehrheitlich auf der heissen Sonnenseite der Hauptwache. Warum soll’s dem Verdächtigen besser gehen als uns, zumal ein bisschen Schmoren hinterlässt keine Narben und fünfundvierzig Grad abgestandene Hitzeluft ist nicht beschwerdefähig. Das wissen die in Strassburg auch.
«Danke für die Meldung», sagt der Müller zu Bucher, und aus Neugier: «Schickst du mir ein Foto von Huber, kenne nur vielleicht ein altes?»
«Ja», sagt Bucher Manfred.
Und schon flutscht das Foto elektronisch durch die Luft zu Müllers Mobiltelefon: ein grosser Blonder mit gewinnendem Lachen. Vorsicht vor gewinnendem Lachen, mahnt Müllers Polizistenunterbewusstsein: Sympathie ist Stolperdraht. Ich weiss, das wurde hier schon ausformuliert, aber wenn man immer nur das Wesentliche und Neue sagen täte, könnte man täglich mindestens
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