Mueller und die Tote in der Limmat
meint Mark Huber.
Bei diesem Ton gefriert dir das Blut.
«Weg», sagt Toby, «gegangen.»
«Warum informieren Sie mich erst jetzt?», der Müller sehr amtlich.
«Quellenschutz», so Tobias F. Hubacher. Kennt sein Journalismus-Handbuch.
«Nach diesem Mann wird gefahndet», so der Müller. Und denkt gleich: Schnauze halten, Müller!
«Danke für die Information», so Tobias F. Hubacher.
Ist Toby doch ein Ekel?
Aber wenn man meint, der Müller ist jetzt völlig in der Patsche, weil er als Krankgeschriebener Polizeigeheimnisse an die Presse ausplaudert, kann ich Sie doch beruhigen. Atmen Sie durch und zählen Sie leise bis zehn. Weil – Vorausblende – der Inhalt des Online-Artikels bereits darauf hinweist, dass die Polizei ernsthaft im Spiel ist. Als der Müller das rote Telefönchen drückt, denkt er: Schon seltsam, dass plötzlich Mark Huber und Johnny sich öffentlich prügeln, wo doch beide im Musikgeschäft sind und Johnny doch der Manager von Mark und Spitfire ist. Und warum informiert Toby erst jetzt den Müller? Natürlich: Eigennutz. Online-Auflage. Klicks, Klicks, Klicks. Aber warum funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Mark Huber und Johnny Maurer jahrelang und endet dann so brachial und kurz nach dem Schicksalsdoppelschlag Sandra und Gorges du Pichoux? Alles nur vorgetäuscht, um die Öffentlichkeit zu hintergehen? Täuschen muss man, wenn man etwas zu verbergen hat. Was verbergen? Finstere Machenschaften. Der Müller runzelt die Stirn und zieht Hemd und Hose über die Badehose und rollt das Tuch zusammen. Muss die Online-Ausgabe aufschlagen.
Wieder einen Einwand eingeworfen: Warum Hose und Hemd über Badehose und Tuch zusammenrollen, zum Online-Ausgabe-Aufschlagen? Hat er keine Apps? Kennt er Apps nicht? Ich muss gestehen: Dem Müller sein Mobiltelefon ist nicht so richtig internetfähig, selbst kann er nur selten Bilder schicken, sonst bricht es zusammen. Warum denn technisch so völlig 20. Jahrhundert? Ja, wollen Sie denn noch mehr Steuern bezahlen, damit die ganze Polizei auch ein Supertelefon von angebissenem Apfel bei sich trägt? Budget begrenzt. Muss der Müller und die Polizei damit leben, geht nicht anders. Aber geht auch so. Weil es gibt auch in Zürich freundliche Menschen, und einer davon sitzt im Café Gloria an der Josefstrasse, möbliert mit Retro-Design im dänischen Stil, und der hat WLAN auf seinem Schossrechner, der vor ihm steht. Das sieht der Müller beim Vorbeigehen. Und dann geht’s ganz einfach.
Er fragt: «Darf ich mal etwas im Netz nachschauen?»
Skeptischer Blick zur Antwort, aber der Müller ist auch mit diesem Wasser gewaschen. Sagt: «Meiner ist abgestürzt. Ich krieg ihn erst morgen wieder.»
Da hellt sich der Blick des WLAN -Kaffeetrinkers auf, und weil der Müller weder aussieht wie ein Strauchdieb noch wie Gaddafi, nickt ihm der Fremde aufmunternd zu. «Nur ran», sagt er. Und der Müller setzt sich, gibt ein paar Buchstaben ein. Schon sieht er, was online in der Boulevardzeitung steht:
ZÜRCHER ROCKER PRÜGELN AN PARTY
«Von Musikchef Tobias F. Hubacher. Gestern Abend an einer Party mit hundertzwanzig VIP s aus Zürichs Musik- und Fashion-Szene. In einem glamourösen Penthouse in Zürichs Kreis 5: Ein Schrei! Unvermittelt stürzt sich Spitfire -Sänger Mark Huber (28) auf seinen Manager Hansueli ‹Johnny› Maurer (34). Sie prügeln sich, bis Augenzeugen tatkräftig einschreiten. Model Belinda F. (22): ‹Ich dachte, sie schlagen sich tot!› Product Manager Rolf S. (29): ‹Der Blonde (gemeint ist Mark Huber) hat einen ganz harten Schlag!› Wie kam es zu dieser Auseinandersetzung? Weiter Roter Button .»
Interessant, denkt der Müller. Aber weiss natürlich, dass es die Wahrheit im Plural gibt. Obwohl es vor dem Richter schliesslich nur eine gibt. Und die Presse hat wieder eine andere.
Und Klick auf den Roten Button .
«Die Hintergründe: Mark Hubers Band Spitfire , der Fahrer und der Tontechniker – unsere Online-Ausgabe vom Donnerstag – sind in den ersten Stunden des Donnerstags im Jura in die Gorges du Pichoux gestürzt, eine tiefe Schlucht an der Grenze der Kantone Bern und Jura. Mark Huber sass nicht im Unfallfahrzeug, Manager Hansueli ‹Johnny› Maurer auch nicht. Hält Angreifer Mark Huber seinen Manager für schuldig am Tod seiner Band? Hat er aus Trauer über die verlorenen Freunde auf ihn eingeprügelt? Aus Verzweiflung über den Verlust seines Jobs? Tatsache ist, dass die Plattenläden und Online-Shops einen deutlichen Anstieg von
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