München - 2030
Bohnen. Eine einseitige Ernährung ist nicht gerade förderlich für das Wohlbefinden!« Dann verschwand sie wieder auf ihr Zimmer.
Kidneybohnen waren das Hauptnahrungsmittel der Alten. Bedingt durch die schwere wirtschaftliche Rezession waren Lebensmittel unerschwinglich teuer geworden. Es gab zwar noch immer Warenhäuser, die in speziell gesicherten Räumlichkeiten, alle erdenklichen Nahrungsmittel für eine geringe Zahl der besser Betuchten anboten, aber diese Räume durfte man nur nach eingehender Prüfung der Zahlungsfähigkeit und in Begleitung eines schwer bewaffneten Sicherheitsmannes betreten.
Die Kidneybohnen waren neben gebrauchter Kleidung, Bestandteil der Spenden, die Containerweise aus dem Norden Germoneys in den Süden geschickt wurden, um Hungerkatastrophen und anderen Nöten vorzubeugen.
Einige Tage darauf kam Victor mit einem klapprigen Rollator nach Hause, an dem vorne ein Rad fehlte.
»Hi Victor«, begrüßte ihn Charly und machte ihm die Gartentüre auf.
»Was schiebst du denn da für ein klappriges Teil vor dir her – der hat ja mindestens schon den zehnten Besitzer hinter sich.«
Charly faltete die Hände und sah andächtig zum Himmel.
»Gott sei ihnen gnädig«, murmelte er.
»Es wird bestimmt schwierig ihn wieder loszubekommen«, sagte er dann.
»Die Rollatoren, die man noch zu Fassen bekommt werden immer schlechter«, beschwerte sich Victor.
»Aber mit ein bisschen Farbe«, meinte er optimistisch, »werde ich ihn schon hinbekommen.«
Jetzt sah Victor, dass Charly genüsslich eine Banane aß.
»Wo hast du die denn her«, fragte Victor verblüfft.
»Ich hab einen Job gefunden«, erwiderte Charly gut gelaunt.
»Einen Job gefunden«, wiederholte Victor ungläubig.
»In Haus Sonnenschein«, antwortete Charly. Jetzt schien Victor aus allen Wolken gefallen zu sein.
»Und was machst du dort?«
»Ich bin als Haustechniker angestellt ... und die Bezahlung ist gut«, lachte Charly.
»Und die Bananen«, hob Charly, höchst zufrieden seine angebissene Banane in die Höhe, »die habe ich aus der Küche von Haus Sonnenschein mitgebracht, dort gibt es so viele man will. Übrigens, ich hab welche auf den Küchentisch gelegt, nimm dir ruhig eine.«
Jetzt sah Charly, dass an dem Rollator auch ein Rad ab war.
»Du solltest vielleicht das Rollatorgeschäft aufgeben«, sagte er mitleidig.
»Ich könnte mich mal umhören, ob sie in Haus Sonnenschein noch jemanden gebrauchen können? Vielleicht kann ich dich hinein bringen.«
»Arbeiten gehen?«, fragte Victor widerstrebend. Doch dann besann er sich eines Besseren, das Geschäft mit den Rollatoren warf schon lange nicht mehr genügend Gewinn ab. Es wurde immer schwerer sich damit über Wasser zu halten.
»Ja, vielleicht sollte ich es mal versuchen«, sagte er nachdenklich und gab einen Seufzer von sich.
Victor ließ den Kopf hängen und schob den Rollator in den Garten. Mit knapp siebzig Jahren noch eine geregelte Arbeit anzufangen, war eine harte Nuss, aber ihm schien keine andere Möglichkeit zu bleiben. Und für eine Sekunde sah er Pillen-Ede in seinen Gedanken aufblitzen, wie er in seiner geöffneten Hand eine Nirwana-Pille hielt. Doch dann verwarf er den Gedanken – das war auch kein Ausweg.
Am nächsten Tag kam Victor abgekämpft zurück. Er hatte sich mit Brenninger erneut ein heißes Rennen geliefert. Brenninger hatte ihm an der Radolfzeller Straße aufgelauert, als Victor mit einem Rollator aus Pasing gekommen war (seit der Geschichte mit Pillen-Ede mied Victor die Innenstadt). Es war ein uralter Rollator den er vor dem Pasinger Krankenhaus entwendet hatte. Er hatte einem Adligen gehört. Victor hatte ihn wiedererkannt, früher war sein Gesicht regelmäßig in den Klatschspalten der Boulevardpresse aufgetaucht, die über die Neuigkeiten des Jetsets berichteten. Diese Leute lebten ein derart übertriebenes Understatement, dass sie selbst nicht davor zurückschreckten mit einem rostigen, heruntergekommen Rollator ihre Wege zu machen, nur um sich mittelmäßig zu geben. Bei einem Reifen war offenbar das Lager
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