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München - 2030

München - 2030

Titel: München - 2030 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Golfidis
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genetischen Defekt diagnostiziert, den sie im Vergleich mit Gehirnen von Hominiden entdeckt hatten, und der allen menschlichen Wesen innewohnte. Es handelte sich um eine Funktionsstörung im Vorderhirn. Dafür zeigte sich beim Homo sapiens eine Missbildung im Frontallappen verantwortlich – in der ventromedialen präfrontalen Region der Großhirnrinde. Die Forscher bescheinigten dem Homo sapiens eine neuropathologisch bedingte Unfähigkeit für soziale Kompetenzen – es fehlte ihm an Unrechtsbewusstsein, Einfühlungsvermögen und Mitgefühl. Schlimmer hätte das Ergebnis der Untersuchung nicht ausfallen können.
     
    Zwar hatte die Politik versucht, die Sache mit dem genetischen Defekt wieder herunterzuspielen, indem sie argumentierte, dass die Erfolge im wissenschaftlichen Bereich und vor allem in der Medizin nicht von der Hand zu weisen waren. So belegte eine neuere Studie, die gestiegene Lebenserwartung innerhalb des letzten Jahrhunderts.
    Doch die Gruppe der Wissenschaftler und Anwälte um den Milliardär wandte zum einen ein, dass auch Autisten oft eine Inselbegabung hätten und dies noch kein Hinweis für eine umfassende und begreifende Intelligenz sei. Und zum anderen gab sie zu bedenken, dass durch die gestiegene Lebenserwartung eines Menschen, auch im gleichen Maß das Leid anstieg, was er zu Lebzeiten durch seine Mitmenschen auszuhalten hatte.
    So musste die Phrase des Milliardärs bei jeder Sendung zitiert werden. Charly nahm die Floskel schon gar nicht mehr richtig wahr – mittlerweile hörte man sie beiläufig und die Leute hatten sich daran gewöhnt.
     
    Inzwischen war Victor aus dem Keller zurück. Genauso wie Charly hatte auch er sich an die Floskel gewöhnt. Doch eine Frage brannte ihm schon lange im Gedächtnis. In der Regel interessierte er sich nicht so sehr für Forschung – im Gegensatz zu Charly, der sehr gebildet war und ein gutes Allgemeinwissen hatte – doch die eine Sache mit dem Genfehler war ihm schon öfter durch den Kopf gegangen. Und jetzt war die Gelegenheit, dass er Charly einmal fragen konnte.
                »Der Satz des Milliardärs, der vor den Nachrichten immer verlesen wird«, fragte Victor an Charly gewandt, »haben die Forscher den genetischen Defekt eigentlich bei allen menschlichen Wesen festgestellt?«
    Charly nickte mit dem Kopf.
                »Bei allen Homo sapiens«, antwortete er, »die Forscher meinten sogar, der Mensch sei nichts weiter als ein Unfall der Evolution.«
                »Ein Unfall?«, fragte Victor ungläubig, »ausnahmslos alle?«
                »Ausnahmslos!«, antwortete Charly entschieden, der sich darüber reichlich belesen hatte.
    Victor zog seine Stirn in Falten und wurde nachdenklich.
                »Hmmh«, brummte er, »ich hab noch nichts davon bemerkt.«
                »Es tut ja auch nicht weh«, sagte Charly.
     
                In der Sendung selbst ging es dann um einen erneuten Skandal über unterschlagene Nahrungsmittelspenden aus dem Norden. Charly schaltete genervt das Radio ab, er hatte gehofft, die neuesten Sportergebnisse zu hören – stattdessen brachten sie wieder einmal, in einer Sondersendung, etwas über einen Spendenskandal.
     
    Victors Magen meldete sich.
                »Was gibt’s eigentlich zu Essen?«, fragte er.
                »Was soll es schon geben? Ein Topf Bohnen steht auf dem Herd«, erwiderte Charly, den Victors Frage irritierte.
                »Es gab die letzten Monate noch nie etwas anderes wie Bohnen«, beschwerte sich Victor.
                »Wir haben Winter, schon vergessen, da wächst nichts im Garten.«
                »Ja, ich weiß«, klagte Victor und ging in Richtung des Ofens, »ich wollt einfach nur mal nachfragen.«
                »Ich werde morgen nach einem Job Ausschau halten«, sagte Charly, der im Türrahmen stand, »dann kann ich mir wenigsten ab und zu mal wieder eine Banane leisten.«
                »Ich kann diese Bohnen nicht mehr sehen und zu den Ohren kommen sie mir auch schon raus«, schimpfte Victor, während er sich einen Löffel davon in den Mund schob. In diesem Moment kam Susann in die Küche. Sie ging zum Schrank und holte einen Teller hervor, dann schöpfte sie sich einen Esslöffel Bohnen aus dem Topf.
                »Ihr könntet echt mal was unternehmen«, sagte sie vorwurfsvoll und sah die beiden an. »Immer nur

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