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Muenchen - eine Stadt in Biographien

Muenchen - eine Stadt in Biographien

Titel: Muenchen - eine Stadt in Biographien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Sperr
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Selbstüberforderung war erreicht.
    DIE BOHEME KONNTE SO NICHT ÜBERLEBEN
    Viele Jahre später, als Franziska zu Reventlow München längst den Rücken gekehrt hatte und am Lago Maggiore lebte, hatte sie Zeit und Muße, sich an die selbstbestimmten Jahre in Schwabing zu erinnern. In ihrem 1913 erschienenen Schlüsselroman »Herrn Dames Aufzeichnungen oder Begebenheiten aus einem merkwürdigen Stadtteil« zieht sie Bilanz: »Wahnmoching im bildlichen Sinne geht weit über den Rahmen eines Stadtteils hinaus. Wahnmoching ist eine geistige Bewegung, eine Richtung, ein Protest, ein neuer Kult oder vielmehr der Versuch, aus uralten Kulten wieder neue religiöse Möglichkeiten zu gewinnen …«
    Ihre Nachfahren im Geiste sind spätestens mit Beginn des 21 . Jahrhunderts weitgehend ausgestorben. Wahnmoching ist – bis auf wenige Ausnahmen – zu Geldmoching mutiert. Angeberautobesitzer haben die Ellbogen ausgefahren und verdrängen zunehmend das elitär-bohemienhafte Schwabinger Lebensgefühl, das früher unter den bewundernden Blicken der Provinzler auf der Bühne der Straßencafés zur Schau gestellt wurde. Nicht einmal die Jungen haben noch Lust, sich auf der Leopoldstraße vor den Touristen zu produzieren. Jetzt bleibt man unter sich: Wahnmoching hinter verschlossenen Türen.
    Die Abenteurerin ist sie auch als reife Frau geblieben: 1911 reiste sie nach Ascona und ging des Geldes wegen eine Scheinehe mit einem alten, ziemlich verbeulten und versoffenen baltischen Baron ein, der ein Erbe erwartete. Der Coup misslang, die Bank machte pleite, kein Erbe, kein Geld. In Ascona lebte sie mit Rolf und ihrem letzten Lebensgefährten
Mario Respini-Orelli
ein eher stilles Leben. Ab und zu besuchten sie alte Weg- und Leidensgenossen am Monte Verità, wo die Natur- und Gesundheitsapostel der Freikörperkultur huldigten, urlaubten und sich beim Sonnenbad zusammentaten.
    1918 starb sie im Krankenhaus von Ascona an den Folgen eines Fahrradunfalls. Ihre Lebensdaten sind die des Wilhelminischen Reichs – Ironie des Schicksals.
    ALTER SIMPL 3 ▶ F 1
    Türkenstraße 57 , Maxvorstadt
    ▶ U-Bahn: Universität, Tram: Schellingstraße
    CAFÉ LUITPOLD 10 ▶ E 4
    Brienner Straße 11 , Altstadt
    www.cafe-luitpold.de
    ▶ U-Bahn: Odeonsplatz

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    THOMAS MANN
    1875 – 1955
    In München schrieb er die »Buddenbrooks« und wurde zum bedeutendsten deutschen Romancier des 20 . Jahrhunderts, in München warnte er vor der politischen Barbarei. Aus München floh er.
    E in Schwergewicht unter den Schriftstellergrößen, einer der wichtigsten Erzähler des 20 . Jahrhunderts, Literaturnobelpreisträger und im Dritten Reich schließlich zur Emigration gezwungen. Irgendwie war er Münchner und irgendwie nicht, von Geburt Lübecker, ein wenig Amerikaner und ein bisschen Schweizer. Gezwungenermaßen polyglott. Fast sein halbes Leben verbrachte Thomas Mann in München, hier, in der vermeintlichen Kunststadt-Idylle der Prinzregentenzeit, gründete er seine Familie, hier schrieb er die »Buddenbrooks« und fast alle seiner weiteren Romane. Hier wandelte sich seine politische Einstellung, hier legte er an intellektuellem Gewicht und schriftstellerischer Souveränität zu. Also doch ein Münchner?
    Der Rang Thomas Manns als einer der bedeutendsten Romanciers ist ausgerechnet in Deutschland geleugnet und von vielen eine Zeit lang kleingeredet worden. In München verbrachte er die wichtigsten Jahre seines Lebens, geprägt von den Erschütterungen durch den Ersten Weltkrieg und der Revolutions- und Rätezeit. Er, der sich selbst lange Zeit in die reaktionäre Vorstellungswelt der Republikgegner eingesponnen hatte, sah Mitte der 1920 er-Jahre hellsichtig das heraufziehende Unheil voraus, das aus der lieblichen Kunststadt eine »Stadt Hitlers« machte. Dann wurde er verfolgt, vertrieben und musste die »fremd gebliebene Heimat« verlassen. Zurückgekehrt ist er nicht. Sein Verhältnis zur Stadt blieb ambivalent. Im Dritten Reich galt er als Verräter, und bei den alten Nazis, die nach 1945 wieder auf ihren Stühlen saßen, auch. Die Deutschen machten irgendwann, spät, ihren Frieden mit ihm. Heute ist mancher in München stolz auf den großen Sohn der Stadt, der einmal sagte: »Wann immer ich Münchner Laute höre, Münchner Tonfall, wird es mir warm ums Herz.«
    Lübeck 1875 . Die bürgerliche Kaufmannsfamilie der Manns gehörte zu den besten Kreisen. Thomas war der Zweitälteste von fünf Kindern, sein um vier Jahre älterer Bruder
Heinrich,
die

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