Muenchen - eine Stadt in Biographien
steigern, suche mich pantheistisch einzufühlen in das Zittern und Rinnen des Blutes in der Natur, in den Bäumen, in den Tieren, in der Luft, – suche das zum Bilde zu machen, mit neuen Bewegungen und Farben, die unseres alten Staffeleibildes spotten.«
Inzwischen war es üblich, nicht mehr nur im Atelier zu malen, sondern sich mit der Staffelei mitten in die Natur zu stellen. Auch Franz Marc malte immer häufiger im Freien – Pleinairmalerei hieß das neue Zauberwort. Von Ausflügen nach Lenggries brachte er ergiebige Pferdestudien mit, auch soll er ein zahmes Reh besessen haben, das ihm auf Schritt und Tritt folgte.
Mit dem Verkauf seiner Bilder ging es zäh voran. Um sich über Wasser zu halten, gab er Malunterricht in seinem Atelier in der Schwabinger
Kaulbachstraße 68 .
Über die Beschäftigung mit den theoretischen Grundlegungen der Farbpsychologie kam Marc zu einer neuen Malweise. Auf einmal wurden seine Leinwände von einem leuchtenden Rot, einem kräftigen Grün und einem deutlichen Orange bestimmt. Auf den ersten Blick eine überraschende Wende, aber er hatte bereits auf seinen Reisen 1903 durch die Bretagne und Normandie und während eines sechsmonatigen Aufenthalts in Paris ein anderes Verständnis von Farbgebung entwickelt. Die gotischen Glasfenster der Kathedrale in Chartres oder die Techniken japanischer Holzschnitte, auf die er in Paris gestoßen war, all das floss später in seine Malerei ein.
1910 lernte Marc am Tegernsee den Maler
August Macke
kennen, kurz darauf suchte er den Kontakt zu der Neuen Künstlerbewegung rund um Kandinsky. Am Neujahrsabend 1911 traf er in Werefkins Salon in der
Giselastraße 23
zum ersten Mal Kandinsky: »… habe mich den ganzen Abend mit Kandinsky und Münter unterhalten – fabelhafte Menschen. Kandinsky übertrifft alle, auch Jawlensky, an persönlichem Reiz; ich war völlig gefangen von diesem feinen innerlich vornehmen Menschen, und äußerlich patent bis in die Fingerspitzen. Dass den die kleine Münter, die mir sehr gefiel, glühend liebt, das kann ich ganz begreifen.«
Marc und Kandinsky verbrachten von nun an viel Zeit miteinander, sie diskutierten Kandinskys Thesen von der Verwandtschaft der Dissonanzen in der Kunst, besonders über die Bezüge zwischen ihrer eigenen Malerei und den Kompositionen von
Arnold Schönberg.
Drei große Ausstellungen brachte die Künstlervereinigung zustande, dann kam es, nach immer wieder auflodernden Streitereien und wachsenden Animositäten, zu einem Eklat, bei dem Kandinsky Federn lassen musste. Gemeinsam mit Münter, Marc und Kubin trat er im Dezember 1911 aus.
»Der Blaue Reiter – das waren zwei: Franz Marc und ich« , so stellte es Kandinsky dar. Vielleicht war es ironisch gemeint, denn ganz so war es natürlich nicht. Der Blaue Reiter war zunächst nur die Überschrift für drei improvisierte Kunstprojekte zwischen Dezember 1911 und Mai 1912 – zwei Ausstellungen und ein Almanach. Der Blaue Reiter steht für vieles: für eine künstlerische Revolution, für eine Plattform neuer künstlerischer Ausdrucksformen und für einen losen Diskussions- und Arbeitszusammenhang von Malern, die partout keine Schule sein wollten. Das Revolutionäre war die Eigenständigkeit von Farbe und Form, der Verzicht auf das Gegenständliche in der Malerei und die Einbindung anderer Künste wie etwa die Musik, vor allem die des zeitgenössischen Wiener Komponisten Arnold Schönberg. Die Ausstellungen gingen erfolgreich auf Tournee, in Deutschland und in Europa. In München glänzt das
Lenbachhaus
30 ( ▶ C 3 ) seit 1958 durch eine Schenkung Gabriele Münters mit seiner weltberühmten Sammlung »Der Blaue Reiter«. Nach Abschluss seiner vierjährigen Generalsanierung werden die Kunstwerke des Blauen Reiter ab Frühjahr 2013 im Obergeschoss des Museums präsentiert.
DIE FREISTELLUNG VOM KRIEG KAM ZU SPÄT
1914 erwarb Marc eine Villa in Ried bei Benediktbeuern, nahe dem Kochelsee. Endlich hatte er für seine Rehe ein Gehege, ein Atelier sollte ausgebaut werden, man wollte sich ganz aufs Land zurückziehen. Ein Besuch des Franz Marc Museums in Kochel ist ein großes Vergnügen. Das Gebäude hat einen sehr geglückten modernen Anbau erhalten. Der Blick aus dem Fenster, auf die Umgebung, die Natur, verändert die Sicht auf die Bilder. In Ried entstanden Marcs letzte große Gemälde, obwohl es zu dem Atelierausbau nicht mehr gekommen ist, denn Marc und Macke meldeten sich im August 1914 als Freiwillige zum Militär und zogen, wie
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