Muenchen - eine Stadt in Biographien
geschlossen werden. Eine geschmolzene Schneeplastik gab es da zu sehen und eine mit Geld gepflasterte deutsche Bank, aktueller geht es nicht! 1937 hat er den irischen Dramatiker
Samuel Beckett
zu Gast gehabt. Valentin schenkte ihm einen pelzbesetzten Winterzahnstocher, was Beckett total »crazy« fand. Er habe, sagte Beckett, bei Valentin viel und traurig gelacht. Den Winterzahnstocher gibt es als Souvenir im winzigsten Museumsshop der Welt zu kaufen, im
Valentin-Karlstadt-Musäum
35 ( ▶ G 6 ) im Turm des
Isartors.
Große Kunst auf kleinem Raum wird hier geboten, allerlei skurrile Exponate, hier ist für Valentin-Fans alles vorrätig. Die Klassiker auf CD und DVD : »Der Firmling«, »Orchesterprobe«, »Buchbinder Wanninger«.
DANN SCHICKTE ER SEINE LIESL IN DIE WÜSTE
Einfach war er nicht. Exzentrisch und egoistisch, ein Hypochonder der Sonderklasse, ständig in Angststarre vor Krankheiten, die bei ihm noch nicht ausgebrochen waren, die aber noch, da war er sicher, ausbrechen würden. Vor allem und jedem hat er Angst gehabt, vor Meteorsteinen, die ihm auf den Kopf fallen könnten, vor Einbrechern. Und vor Reisen. In den Jahren seiner größten Erfolge musste er häufig mit dem Zug reisen.
Es heißt, er habe morgens immer den späteren Zug genommen, um dem potenziellen Unglück im früheren Zug auf diese Weise zu entkommen. Ein egomaner Tyrann sei er gewesen für seine Umgebung. Auch wenn
Annemarie Fischer,
in die sich Valentin verliebte und mit der er am Ende seiner Karriere auftrat, von seiner Zärtlichkeit schwärmte und von dem bezauberndsten Lächeln der Welt.
Kaum war die junge schöne Frau auf seiner Bildfläche erschienen, war seine langjährige Partnerin abgemeldet. Valentin trat nur noch mit der Fischer auf. Liesl Karlstadt war am Ende. Nach so vielen gemeinsamen Jahren hat Valentin sie als Partnerin, Muse, Geliebte und, nicht zu vergessen, ideelle und finanzielle Unterstützerin seiner geschäftlichen Kamikaze-Unternehmen in die Wüste geschickt. Sie unternahm einen Selbstmordversuch, musste viele Monate in der Psychiatrie behandelt werden. Wer genau hinhört, entdeckt in den Dialogen diese manchmal rücksichtslose, egozentrische Haltung.
An einem Katarrh soll er gestorben sein, halb verhungert, auch, weil seine Not von niemandem ernst genommen wurde. Um überleben zu können, schnitzte er Kochlöffel und Nudelwalker, die versuchte er bei den Metzgern gegen etwas zu essen einzutauschen. Die konnten sich nicht vorstellen, dass es ihm, dem berühmten Karl Valentin, damit bitter ernst war. Sie klopften sich auf die Schenkel vor Lachen, hielten das Ganze für einen Witz.
AUER DULT
Mariahilfplatz, Au
www.auerdult.de
▶ Tram: Mariahilfplatz
KARL-VALENTIN-BRUNNEN 17 ▶ E 6
Viktualienmarkt, Altstadt
▶ U- und S-Bahn: Marienplatz
VALENTIN-KARLSTADT-MUSÄUM 35 ▶ G 6
Tal 50 , Altstadt
www.valentin-musaeum.de
▶ S-Bahn: Isartor
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OSKAR MARIA GRAF
1894 – 1967
Der vierschrötige Quadratschädel war ein urwüchsiger Bayer im besten Wortsinn: anarchistisch, revolutionär, derb, zornig, heimatverbunden, aber nicht hinterwäldlerisch.
Q uadratschädel, bayerischer. Urviech, münchnerisches. Innen und außen. Prototypisch. Und doch ganz anders. In München und im Münchner Süden, am Starnberger See und in Berg, wo er herstammt, sind die Eingeborenen stolz auf ihn. Die Älteren kannten ihn noch persönlich, sie reden voller Ehrfurcht über ihn, viele Junge interessieren sich für seine Literatur und die zerrissene Biographie. Jeder Bayer, der etwas auf sich hält, hätte gern ein bisschen was von ihm: vom Querulantischen, Polternden, vom Weichen unter der rauen Schale, vom Zarten im Grobschlächtigen. Das Poetische, Sehnsuchtsvolle. Das Anarchistische, Kämpferische, das sich nicht so recht verträgt mit der tief verwurzelten Liebe zu seiner bayerischen Heimat, das alles zugleich prägt seine Literatur. Der große, knochige Mann mit den riesigen Pranken und der obligaten Lederhose.
In Aufkirchen, dem Dorf auf dem Hügel am Ostufer des Starnberger Sees, ist er in die Schule gegangen. Zwischen altem und neuem Schulhaus der Oskar-Maria-Graf-Schule sitzt er, lebensgroß und aus Bronze. Sitzt auf seinem Koffer und wartet. Worauf? Dass er irgendwann in seinem Leben einen Ort finden kann, an dem er sich zu Hause fühlt? Dass aus der »Hauptstadt der Bewegung« schließlich doch noch etwas wird? Wartet er auf bessere Zeiten? Oder, ganz profan, auf den Bus?
Das Bushäusl hat er im Rücken,
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