München Manhattan #1
einem der angesagtesten Viertel in Manhattan: Greenwich Village .
Es war nicht leicht dort eine halbwegs bezahlbare Wohnung zu finden, die nicht nur aus einem Zimmer besteht. Sie und Peter hatten Ewigkeiten gesucht, als sie mit Elisa schwanger war. Und dann, als sie die Hoffnung schon fast aufgegeben und sich eigentlich schon an den Gedanken gewöhnt hatten, aus der Stadt ziehen zu müssen, da landeten sie doch noch diesen Glückstreffer: Drei Zimmer in einem schönen Haus, mitten im Village und auch noch ganz in der Nähe der Bleeker Street. Das war wie ein Sechser im Lotto gewesen!
Die Einrichtung war lange alles andere als stimmig gewesen, aber mit der Zeit hatte Kristin es geschafft, sie einfach perfekt zu machen. Ganz nach ihrem Geschmack – gemütlich, aber nicht überladen. Die Wände im Ton Milchkaffee, die Böden im dunklen Braun und die Möbel in Creme- und Brauntönen – stylisch eben. Wohnzimmer und Küche nur durch eine Theke getrennt. Der Raum, in dem sie sich alle drei am liebsten aufhalten. Ein wirklicher Lebensraum. Sie muss an die gemütlichen Abende mit Peter bei einem Glas guten Rotwein und Kerzenschein denken.
Ihre wunderschönen Kerzen. Nicht irgendwelche Kerzen. Nein, wunderschöne dicke, phantastisch duftende Kerzen, von Aqua di Parma. Dinge, die die Welt nicht braucht, wie Peter immer zu sagen pflegt. Die viel zu viel Geld kosten, dafür, dass es eigentlich nur Kerzen sind. Aber Kristin machen sie glücklich. Schöne Dinge machen sie einfach glücklich. Auch wenn sie viel zu viel Geld kosten.
Kleidung, Einrichtung, ihr Äußeres, sie ist Perfektionistin. Von Kopf bis Fuß gepflegt. Professionelle Maniküre, Pediküre, Waxing – für sie eine Selbstverständlichkeit. Und das natürlich in einem Yoga und Pilates trainierten Körper. Klein, wie sie ist, weiß sie, dass sie sich nicht gehen lassen kann. Jedes Kilo mehr fällt bei ihrer Größe einfach auf. Diese ganze Arbeit unter Jeans und Turnschuhen verschwinden zu lassen? Das wäre so gar nicht Kristins Geschmack. Sie ist ein wahrer Fashion Addict . Sie liebt teure Schuhe und Designerhandtaschen. Und die sehen ja bekanntlich auch nicht so toll aus, wenn die Klamotten drumherum nicht stimmen. Na ja, ein weiter Streitpunkt zwischen ihr und Peter. Und in Gedanken geht sie ihren penibel geordneten Kleiderschrank durch.
Was, wenn die andere Frau gerade ihre persönlichen Sachen durchgeht? Ihre Schuhe anprobiert. Ob sie wohl die gleiche Schuhgröße hat? Unwahrscheinlich. Die andere ist gegen sie riesengroß. Gut, das ist auch nicht wirklich schwer, 1,60 m sind leicht zu überbieten.
Die Andere. Locker an die 1,80 m groß und blond. Kurzhaarschnitt. Eigentlich doch so gar nicht Peters Geschmack. Und das absolute Gegenteil zu ihrer zierlichen Gestalt mit ihren tief dunkelbraunen, schulterlangen Haaren.
Blondie wirkte natürlich überrascht, als auf einmal Kristin und Elisa ihr Tête-à-tête unterbrochen hatten, aber auch irgendwie überheblich. In ihrem Gesicht hatte Kristin ganz klar den Dieser-Mann-gehört-jetzt-mir-Ausdruck lesen können. Oder hatte sie sich das nur eingebildet?
Was wenn jetzt – gerade in diesem Moment – diese andere Frau in ihrem Bett liegt? Wäre Peter wirklich so geschmacklos, dieses Flittchen in ihre gemeinsame Wohnung mitzunehmen? Sie in ihrem Bett schlafen zu lassen? Ihr erlauben, ihr Bad zu benutzen? War es nicht vielleicht doch etwas voreilig gewesen, so Hals über Kopf abzureisen? Aber er hatte sie schließlich betrogen. Was hätte sie denn tun sollen? Die geduldige, verständnisvolle Ehefrau spielen? Einfach so tun, als ob nichts wäre? Mal abgesehen davon, dass sie das niemals gekonnt hätte, gab es ja zusätzlich das kleine Problem, dass Elisa von der Sache auch noch etwas mitbekommen hatte. Also, was hätte sie anderes tun sollen, als ihn zu verlassen? War es zwischen ihr und Peter für alle Ewigkeit aus und vorbei?
Und da ist es wieder – dieses Gefühl, als ob ein dicker fester Strick ihren Magen zusammenzieht.
***
BLUT IST DICKER ALS WASSER
MÜNCHEN. SONNTAG 11 UHR
„Weiß Sophie es eigentlich schon?“, fragt Kristin.
Susanna nickt. „Ich habe gestern Morgen mit ihr telefoniert – da war sie gerade dabei, eines ihrer großen Essen vorzubereiten. Und auf einmal war die Verbindung abgebrochen … Ich hatte es ihr gerade erzählt – das mit Peter und so. Sie war geschockt, aber irgendwie auch seltsam. Sie hat auch nicht mehr zurückgerufen. Ich dachte erst, irgendwas ist mit den
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