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Münsterland ist abgebrannt

Münsterland ist abgebrannt

Titel: Münsterland ist abgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Kehrer
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sich auf seine. Bastian hielt den Mund geschlossen und verweigerte der tastenden Zunge den Eintritt.
    Nach ein paar Sekunden gab Susanne auf. «Entschuldige. Ist so über mich gekommen.»
    Bastian nutzte die Lücke, die sich auftat, zu einem Schritt zur Seite. «Schon okay.»
    Die Hauptkommissarin wurde rot. «Scheiße! Was denkst du jetzt von mir?»
    «Nichts Schlimmes.» Bastian entschärfte die Situation durch ein Lächeln. «Ich muss jetzt wirklich gehen. Sonst kriege ich noch mehr Ärger.»
    Um keine Zweifel an seiner Entschlossenheit aufkommen zu lassen, machte er den ersten Schritt.
    Susanne trottete hinterher. «Was hältst du davon, wenn wir mal essen gehen? Irgendwann in nächster Zeit?»
    «Klar», sagte Bastian. «Aber im Moment habe ich ziemlich viel um die Ohren. Das Haus meiner Mutter ist abgebrannt. Und sie weigert sich immer noch, in ein Altenheim zu ziehen.»
    «O, das ist bestimmt nervig.»
    «Und wie.»
    Sie erreichten das Treppenhaus.
    «Wir sehen uns!», rief Bastian und rannte die Treppe hinauf.
    |||||
    Auf dem Innenhof lief ihm Udo Deilbach über den Weg.
    «Nachmittagsschicht?», fragte Bastian. Die Arbeit in der K-Wache fühlte sich wie graue Vorzeit an, dabei lag sie erst wenige Tage zurück.
    «Ich hoffe, es bleibt ruhig, ich habe eine Karte für Preußen Münster heute Abend.» Udo kratzte sich an der Schläfe. «Mensch, Partner, kaum passe ich nicht mehr auf dich auf, springst du völlig aus den Gleisen.»
    «Halb so wild.» Bastian winkte ab. «Ich habe alles im Griff.»
    «Wenn ich dich angucke, sieht das nach einer fetten Lüge aus.»
    «Wieso?»
    «Zu unserer Zeit hast du noch keinen roten Lippenstift getragen.»

[zur Inhaltsübersicht]
Neunzehn
    Die beiden Männer, die eine Handkarre hinter sich herzogen, rutschten mehrfach aus. Trotz der Spikes unter ihren Schuhen konnten sie sich in dem abschüssigen, mit zentimeterdickem Eis bedeckten Tunnel kaum auf den Beinen halten. Ulrich Vogtländer hatte es etwas einfacher, er hangelte sich freihändig an der metallverkleideten Wand entlang.
    Eigentlich durfte es hier gar kein Eis geben. Doch beim Bau des hundertdreißig Meter langen Tunnels, der zum
Svalbard Global Seed Vault
, dem globalen Saatgut-Tresor auf Spitzbergen, führte, war nicht alles nach Plan gelaufen. Der Permafrost kehrte nicht so schnell zurück wie die Baufirma, die während der Bauphase einen Teil des Platåberget-Massivs erwärmt hatte, vermutete. Als Folge bildete sich im Sommer Tauwasser, das durch die losen Gesteinsschichten in der Nähe des Eingangs drang und sich im mittleren Teil des Tunnels als Eis kristallisierte. In ein paar Jahren, so hofften die Experten, würde der eisgekühlte Berg den Tunnel vor Tauwasser schützen.
    Die Männer mit der Karre hatten die Eisschicht überwunden und befanden sich jetzt in dem trockenen, ebenerdigen Tunnelabschnitt direkt vor der ersten massiven Stahltür der
Vault
. Die Lagerhallen der Samenbank waren so konstruiert, dass sie auch einen drastischen Anstieg des Meeresspiegels, einen Flugzeugabsturz oder eine Atombombenexplosion überstehen würden.
    Vogtländer schloss zu den beiden Männern auf, als sich die Stahltür öffnete. Dahinter erstreckte sich ein Korridor, der die drei Lagerhallen miteinander verband. Nur die mittlere Halle wurde bislang genutzt, die Gesamtkapazität der Samenbank reichte für mehr als vier Millionen unterschiedliche Samenproben, tatsächlich lagerte auf Spitzbergen aber erst ein Fünftel der maximal möglichen Menge.
    Die Luft im Korridor war bereits merklich kühler als die im Tunnel, jedoch nicht zu vergleichen mit dem schneidenden Frost hinter der zweiten Stahltür, vor der die drei Männer erst einmal stehen blieben. Ein Kühlsystem sorgte in der Lagerhalle für gleichbleibende minus achtzehn Grad, die Temperatur, bei der Samen am längsten haltbar blieben, manche sogar bis zu zehntausend Jahre. Sollte das Kühlsystem ausfallen, ließ der Permafrost die Lufttemperatur nicht über minus fünf Grad ansteigen, das verschaffte den Betreibern der
Vault
genügend Zeit, die Anlage zu reparieren, ohne dass die Samen Schaden nahmen.
    Die beiden Lagerarbeiter streiften dick wattierte Overalls über ihre Winterkleidung und zogen ein zweites Paar Handschuhe an. Sie verständigten sich mit kurzen, knappen Bemerkungen und vermieden den Blickkontakt mit Vogtländer. Der Biologe kannte das. Die meisten Menschen wirkten in seiner Gegenwart gehemmt, seitdem sich seine Krankheit nicht mehr verheimlichen ließ.

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