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Münsterland ist abgebrannt

Münsterland ist abgebrannt

Titel: Münsterland ist abgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Kehrer
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spitzte den Mund. «Das nenne ich Verschwendung.»
    «Wird das hier ein Kreuzverhör?», fragte Frederik.
    «Schon gut», sagt Rike. Und zu Helene: «Prüfungstermine. Wir haben es nicht eher geschafft.»
    «Natürlich.» Helene sog am Strohhalm. «Mit welchem Ihrer beiden Kommilitonen haben Sie denn noch nicht geschlafen?»
    «Das reicht.» Frederik stand auf. «Komm, Rike, wir gehen. Das musst du dir nicht gefallen lassen.»
    Helene verfolgte den Abgang des Paares mit eisiger Miene. Irgendwie wurde sie das Gefühl nicht los, dass mit Rike etwas nicht stimmte.
    «Wie ist es gelaufen?», fragte Rafael und setzte sich neben sie. Helene hatte gar nicht bemerkt, dass er hereingekommen war.
    «Das Mädchen ist eiskalt. Ein Profi. Ich weiß noch nicht, was sie vorhat. Aber wir sollten sie unbedingt im Auge behalten.»
    «Ich bleibe an ihr dran.» Rafael lächelte.
    «Und vergiss nicht die Typen, mit denen sie zusammen ist. Ich könnte mir denken, dass die drei es auf Frederik abgesehen haben. Auf sein Geld, meine ich. Besser gesagt: auf
mein
Geld.» Helene legte ihre Hand auf Rafaels Oberschenkel. «Der Junge ist manchmal noch sehr naiv.»

[zur Inhaltsübersicht]
Zweiundzwanzig
    In elftausend Meter Höhe schrumpfte die Erde zu einem Koordinatensystem zusammen. Von A nach B in x Stunden. Nachts Münster, morgens Hamburg, mittags Oslo, abends Spitzbergen. Kaum aufwendiger als ein Ausflug in die Eifel. Während Bastian auf die weiße Wolkendecke blickte, durch deren Löcher ab und zu ein Stück vom glatten grauen Nordmeer zu erkennen war, dachte er darüber nach, wie eine solche Reise vor hundert Jahren abgelaufen wäre. Wahrscheinlich hätte sie wochenlange Vorbereitungen erfordert. Man brauchte Ausrüstung und Proviant, musste auf die richtigen Schiffsverbindungen und gutes Wetter warten. Und selbst dann wäre die Fahrt nach Spitzbergen noch ein Abenteuer gewesen, von dem man seinen Kindern und Enkeln erzählt hätte.
    Heute war jeder Punkt auf der Erde gerade mal zwei Mausklicks entfernt: einen, um den Flug zu buchen, den zweiten, um die Buchung zu bestätigen. Vor vierundzwanzig Stunden hatte er nicht mal geahnt, dass er einen Tag später so nah am Nordpol sein würde, dass die Sonne nicht mehr unterging.
    Auch davon, was sie am Boden erwartete, wenn sie erst einmal gelandet waren, besaß Bastian nicht die geringste Vorstellung. Er hatte einen Pullover und seine dicke Regenjacke eingepackt, dazu wetterfeste Schuhe angezogen. Das war alles an Vorbereitung. Vielleicht hätte er sich auf dem Flughafen einen Reiseführer kaufen sollen. Aber falls man auf Spitzbergen Schneeschuhe oder gefütterte Unterwäsche benötigte, gab es dafür bestimmt einen Laden.
    Yasi schlief mit geöffnetem Mund. Sie hatten in der Nacht nicht viel Schlaf bekommen, weil sie um vier Uhr schon wieder aufstehen mussten. Bastian war zwar ebenfalls hundemüde, wusste jedoch aus Erfahrung, dass er in einem Flugzeug keine Ruhe fand. Zu eng, zu unbequem, außerdem schreckte er bei jedem ungewöhnlichen Geräusch hoch.
    Yasi öffnete die Augen. «Woran denkst du?»
    «Abgesehen von der Frage, wie es auf Spitzbergen wohl aussieht?»
    Sie grinste spöttisch.
    «An den Typ auf dem Foto hinter deinem Schreibtisch. Der grauhaarige, der aussieht …»
    «Klaus.»
    «Ist das dein …»
    «Mein Professor, ja. Meine langjährige Beziehung.»
    Bastian nickte. «Ich frage mich, was du an mir findest, wenn du vorher auf jemanden wie ihn gestanden hast.»
    Yasi nahm seine Hand und hielt sie fest. «Klaus hat seine Qualitäten und seine Macken, und du hast deine. Ich vergleiche euch nicht. Und das solltest du auch nicht tun.»
    «Sucht man bei einem Partner nicht immer wieder dasselbe?»
    «Ja? Mit wie vielen Mosuo-Frauen warst du denn schon befreundet?»
    Bastian lachte. «Punkt für dich.»
    «Eines habt ihr übrigens doch gemeinsam, Klaus und du», sagte Yasi. «Ihr seid keine Arschlöcher. Arschlöcher kann ich nämlich nicht leiden.»
    |||||
    Schon beim Landeanflug wurde deutlich, dass sie nicht in eine Eiswüste geraten würden. Abgesehen von den Gipfeln der Bergketten, die unter weißen Hauben steckten, war die Insel schneefrei. Sogar grün. Zwar wuchsen keine Bäume oder Sträucher, dafür lag die Landschaft unter einem dichten grünen Teppich, der im Licht der strahlenden Sonne wie die Dekoration einer Modelleisenbahn aussah.
    «Da!» Yasi zeigte auf einen Hügel, auf dem einige hirschähnliche Tiere mit hellem Fell grasten. «Rentiere.»
    Nachdem sie ihre

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