Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Münsterland ist abgebrannt

Münsterland ist abgebrannt

Titel: Münsterland ist abgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Kehrer
Vom Netzwerk:
Nicht weil sie darauf erpicht war, seine Kapitänskajüte zu besichtigen. Schon rein altersmäßig passte Visser nicht in ihr Beuteschema, seit etlichen Jahren bevorzugte sie wesentlich jüngere Männer. Doch als Frau, die mitten im Leben stand, testete sie selbstverständlich bei jeder Gelegenheit ihren Marktwert. Und so hätte sie sich vermutlich auf einen Flirt mit dem Uniformträger eingelassen, wäre ihr Kopf im Moment nicht mit anderen Dingen beschäftigt gewesen.
    «Das würde ich wirklich sehr gerne, Herr Kapitän. Aber ich muss noch ein dringendes Mutter-Sohn-Gespräch führen.»
    «Schade.» Visser wirkte ehrlich enttäuscht. «Na dann, vielleicht beim nächsten Mal.»
    Helene stand auf und reichte dem Kapitän die Hand. «Ich bin sicher, beim nächsten Mal wird es klappen.»
    |||||
    Die Columbus-Bar war Helenes bevorzugter Aufenthaltsort am späteren Abend. In den anderen Bars spielte entweder die schiffseigene Band oder ein DJ servierte Tanzmusik aus der Konserve – laut war es auf jeden Fall. Und das konnte sie jetzt nicht gebrauchen.
    Abgesehen von der Ruhe, schätzte Helene an der Columbus-Bar die Einrichtung: viel Teakholz, alte Bücher, ein großer Globus und weiche Polstersessel. Als Helene die Bar betrat, waren Frederik und das Mädchen schon da. Beide hockten angespannt auf der vorderen Kante ihrer Sessel.
    Mit einem Seufzer ließ sich Helene in das dritte Sitzmöbel fallen. Dem Kellner, der postwendend neben ihr stand, gab sie auf, ihr einen Gin Tonic zu bringen. «Aber bitte mit Bombay-Gin, nicht mit diesem billigen Fusel.»
    Sie fasste die zwei jungen Leute ins Auge. «Schön, dass ihr gekommen seid.»
    «Für mich klang das wie ein Befehl», motzte Frederik.
    «Findest du es nicht völlig normal, dass ich deine Freundin beschnuppern möchte?»
    «Mama», sagte Frederik genervt, «wir kennen uns seit gestern. Da gibt es nicht viel zu erzählen.»
    «Siehst du, genau das weckt meine Neugier. Ihr seht euch, und ein paar Stunden später seid ihr schon ein Paar.»
    «Auf einer Reise geht eben manches schneller als zu Hause.»
    Nach Frederiks Ausraster auf dem Sonnendeck am Vortag hatte sich Helene gezwungen, erst einmal einen kühlen Kopf zu bewahren. Bevor sie sich erneut mit Frederik auseinandersetzen würde, brauchte sie Informationen. So ging sie auch bei wichtigen Geschäftsterminen vor. Sie verschaffte sich Kenntnisse über die Schwachstellen ihrer Gegenüber – und spielte diese bei passender Gelegenheit aus. Je mehr sie in der Hinterhand hatte, desto komfortabler war die eigene Position. Deshalb hatte sie ihren Assistenten Rafael beauftragt, Erkundigungen über diese Rike einzuholen. Und tatsächlich hatte Rafael bei seinen diskreten Recherchen einige Merkwürdigkeiten zutage gefördert. So waren Rike und ihre beiden Begleiter erst in Tromsø, am fünften Tag der Reise, an Bord gegangen. Gebucht hatten sie ihre schlichte Dreibettkabine auf dem untersten Passagierdeck allerdings bereits vor Monaten. Alle drei gaben sich als Studenten aus, doch das Internet und die sozialen Netzwerke, ansonsten unerschöpfliche Quellen persönlichster Klatschgeschichten, spuckten über das Trio nichts aus.
    Kurz war Helene sogar die Warnung des arroganten Kommissars aus Münster in den Sinn gekommen, Ökoterroristen könnten es auch auf sie abgesehen haben. Aber dann erschien ihr der Gedanke doch zu lächerlich. Ökoterroristen als Passagiere eines Luxus-Kreuzfahrtschiffes – was für eine alberne Vorstellung.
    «Sehen Sie das auch so?», wandte sie sich an die junge, etwas zu stark geschminkte Frau. «Sie sagen ja gar nichts.»
    «Was wollen Sie denn wissen?», fragte die Blonde schnippisch.
    «Was Sie so machen, zum Beispiel.»
    «Ich studiere in Hannover. Sprachen und Pädagogik. Auf Lehramt.»
    «Eine solide Berufsbasis.»
    «Finden Sie? Andere behaupten, so etwas studieren nur graue Mäuse.»
    Der Kellner stellte den Gin Tonic ab. Helene nahm das Glas in die Hand. «Dafür ist Ihr Privatleben umso interessanter.»
    «Wie kommen Sie denn darauf?», fragte Rike misstrauisch.
    «Na ja, Sie checken mit zwei Männern ein, und ein paar Stunden später kommt noch ein dritter dazu.»
    «Die beiden kenne ich vom Studium.»
    «Und mit denen buchen Sie eine Kreuzfahrt? Wem wollen Sie das erzählen?»
    «Mama!», sagte Frederik gereizt.
    Rike schüttelte den Kopf. «Die Reise haben wir uns gegönnt, weil wir gemeinsam eine Prüfung bestanden haben.»
    «Und dann steigen Sie auch noch verspätet ein.» Helene

Weitere Kostenlose Bücher