Muensters Fall - Roman
sicher?«
»So sicher man sich dessen sein kann. Die Seele ist keine Maschine.«
»Danke«, sagte Münster. »Dann weiß ich, was ich wissen muss. Vielleicht komme ich noch mal auf Sie zurück ... wenn das möglich ist.«
Er konnte hören, dass sie lächelte, als sie antwortete.
»Sie haben meine Nummer, Herr Kommissar. Und übrigens, ich habe einen Bruder in Maardam.«
»Dann ist da nur noch eine Kleinigkeit«, stellte Münster fest, als die Fürsorgerin deBuuijs zurückgekommen war. »Sie haben mir erzählt, dass Sie eine Liste über alle Besucher führen. Dürfte ich diese Unterlagen einmal einsehen? Ich weiß, dass ich Ihnen viel Mühe mache, aber ich verspreche Ihnen, Sie danach in Ruhe zu lassen.«
»Kein Problem«, erklärte Hedda deBuuijs mit ihrem üblichen Enthusiasmus. »Dann muss ich Sie nur bitten, mit mir einen kleinen Spaziergang zu machen.«
Sie gingen hinaus zu dem Empfangsraum, wo deBuuijs an eine kleine Glasscheibe klopfte. Umgehend wurden ihr zwei rote Ringbücher gereicht, die sie dem Kommissar übergab.
»Das letzte Jahr«, erklärte sie. »Wenn Sie weiter zurückgehen wollen, müssen Sie es den Damen nur sagen! Ich habe noch einen Auftrag zu erledigen, Sie entschuldigen mich ...«
»Vielen Dank«, sagte Münster. »Das genügt. Sie waren wirklich äußerst zuvorkommend und eine große Hilfe.«
»Keine Ursache«, sagte Hedda deBuuijs und verließ ihn von Neuem.
Münster setzte sich an einen Tisch und begann zu blättern.
Jetzt, dachte er. Jetzt werden wir sehen, ob es passt, oder ob alles auseinander fällt.
Fünf Minuten später klopfte er an die Scheibe und gab die Ringbücher zurück.
Wenn jemand die richtige Saite anschlägt?, dachte er, als er vom Parkplatz herunterfuhr. So hatte sie es gesagt, die Clara Vermieten. Besser konnte man es nicht formulieren.
»Was zum Teufel meinst du?«, fragte Reinhart.
»Gib alle deine Versuche auf, das verstehen zu wollen, was du sowieso nicht verstehst«, konterte Van Veeteren. »Beschreibe mir lieber die Lage.«
»Wir haben es bald im Kasten«, sagte Reinhart.
»Im Kasten?«
»Nun hör mal, mein lieber Ex-Hauptkommissar«, holte Reinhart aus. »Münster ist da oben, und die Dinge laufen ausgezeichnet, nach Plan. Ich habe mit ihm vor einer halben Stunde telefoniert, und er hat Informationen gekriegt, die ganz deutlich in eine Richtung weisen.«
»Weiter«, sagte Van Veeteren.
Reinhart seufzte und palaverte geduldig weiter zwei, drei Minuten lang, aber dann unterbrach ihn Van Veeteren.
»All right, das reicht«, sagte er. »Wir fahren hin, du kannst mir den Rest im Auto erzählen.«
»Hinfahren? Was zum Teufel ...?«, brauste Reinhart auf, aber im gleichen Moment begann irgendwo in seinem Hinterkopf ein Warnlicht zu blinken. Er verstummte und überlegte. Wenn es überhaupt eine Regel gegeben hatte, der zu folgen es sich zu Zeiten des Hauptkommissars gelohnt hatte, dann war es ja wohl diese gewesen:
Niemals einen Entschluss, den Van Veeteren plötzlich und scheinbar aus unbegreiflichen Gründen gefasst hatte, in Frage zu stellen.
Reinhart hatte es ein paar Mal getan. Anfangs. In Frage gestellt. Das war nicht besonders erfolgreich gewesen.
»Du kannst mich in fünf Minuten vor Adenaar’s abholen«, sagte Van Veeteren. »Nein, schon in vier. Alles klar?«
»Ja«, seufzte Reinhart. »Alles klar.«
Als Münster in einem eurochinesischen Restaurant saß, merkte er wieder einmal, wie müde er war. Er trank seine üblichen zwei Tassen schwarzen Kaffee als Gegengift und dachte kurz darüber nach, wie viele Jahre es wohl noch dauern würde, bis er Magengeschwüre hatte. Fünf? Zwei?
Dann bezahlte er und versuchte sich wieder auf seinen Job zu konzentrieren.
Der Fall. Zeit für den letzten Akt. Es war zweifellos höchste Zeit. Er machte sich eine mentale Notiz, zu Hiller raufzugehen und um eine Woche Urlaub zu bitten, sobald das Ganze vorbei war. Morgen vielleicht. Oder Montag. Eigentlich besser gleich zwei Wochen ...
Draußen aus dem Auto rief er anschließend in Maardam an, um zu berichten. Zehn Minuten lang erzählte er Heinemann von den jüngsten Entwicklungen, da dieser der Einzige war, den er antraf und der das Gespräch schließlich damit beendete, Münster in seiner üblichen umständlichen Art zu größter Vorsicht zu ermahnen.
Als er mit Heinemann fertig war, informierte er die lokalen Polizeibehörden. Sprach mit Inspektor Malinowski – der anfangs etwas Probleme hatte, das Tempo mitzuhalten, aber
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