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Muensters Fall - Roman

Muensters Fall - Roman

Titel: Muensters Fall - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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er. »Wann hat Clara wegen der Geburt ihres Kindes aufgehört zu arbeiten?«
    »Einen Moment«, sagte deBuuijs, und er hörte, wie sie in irgendetwas blätterte.

    »Am letzten Tag im Oktober«, sagte sie. »Ja, das stimmt. Ungefähr eine Woche später hat sie ein Mädchen bekommen.«
    »Danke«, sagte Münster und legte auf.
    Er nahm das oberste Band vom Stapel und griff zu dem vom 25. Oktober. Samstag, der 25. Oktober. Ging zurück, setzte sich an den Schreibtisch und begann zuzuhören.
    Es dauerte knapp zehn Minuten, bis er an die Stelle kam, und während er wartete, erinnerte er sich an etwas, das Van Veeteren einmal gesagt hatte. Bei Adenaar’s, mal wieder, wahrscheinlich an einem Freitagnachmittag, dann pflegte er immer etwas mehr zu spekulieren als üblich.
    Es geht darum, an den richtigen Menschen zu kommen, hatte der Hauptkommissar festgestellt. In jedem Fall gibt es die eine oder andere Person, die die Wahrheit verbirgt – und das Verdammte dabei ist, dass sie es oft selbst gar nicht weiß. Deshalb müssen wir diese Person finden. Mit Licht und Lampe und einer verdammt großen Menge Hartnäckigkeit. Das ist unser Job, Münster!
    Er erinnerte sich Wort für Wort daran. Und jetzt saß er hier und hatte so einen Menschen gefunden. So einen, der die Wahrheit wusste. Falls er die Zeichen richtig deutete.
    »Wo bist du jetzt?«, fragte Clara Vermieten.
    »Ich bin zu Hause«, sagte Irene Leverkuhn.
    »Wo zu Hause?«
    »Ich bin in meinem Bett«, sagte Irene Leverkuhn.
    »Du bist in deinem Bett. In deinem Zimmer. Ist es Nacht?«
    »Es ist Abend.«
    »Bist du allein?«
    »Ruth liegt in ihrem Bett. Es ist Abend, es ist schon spät.«
    »Aber du schläfst nicht?«
    »Ich schlafe nicht, ich warte.«
    »Worauf wartest du?«
    »Ich will, dass es schnell geht.«
    »Was soll schnell gehen?«
    »Es soll schnell gehen. Manchmal geht es schnell. Das ist am besten dann.«

    »Du wartest, hast du gesagt?«
    »Heute Abend bin ich dran.«
    »Wartest du auf was Besonderes?«
    »Sein Schwanz ist so groß. Ich kriege ihn nicht in den Mund.«
    »Auf wen wartest du?«
    »Es tut weh, aber ich muss leise sein.«
    »Wie alt bist du, Irene?«
    »Gestern konnte Ruth nicht leise sein. Er mag mich lieber. Er kommt öfter zu mir. Heute Abend bin ich dran, er kommt gleich.«
    »Wer ist das, der da kommen soll?«
    »Ich habe mich mit dieser Creme eingeschmiert, dann tut es nicht ganz so weh. Ich hoffe, es geht schnell.«
    »Wo bist du, Irene? Wie alt bist du?«
    »Ich liege im Bett, ich versuche mein Loch größer zu machen, damit sein Schwanz Platz hat. Der ist so groß, sein Schwanz. Er ist so schwer, und sein Schwanz ist so groß. Ich muss still sein.«
    »Warum musst du still sein?«
    »Ich muss still sein, damit Mauritz nicht aufwacht. Jetzt kommt er, ich kann es hören. Ich muss versuchen, noch größer zu sein.«
    »Wer ist das, der da kommt? Auf wen wartest du?«
    »Ich kriege nur zwei Finger rein, ich hoffe, es geht schnell. Sein Schwanz ist schrecklich.«
    »Wer ist es, der da kommt?«
    » ...«
    »Irene, wer ist es, auf den du wartest?«
    » ...«
    »Wer ist es, der so einen großen Schwanz hat?«
    » ...«
    »Irene, erzähl mir, wer da kommt.«
    »Papa. Jetzt ist er hier.«

38
    Jung stand an der Bertrandgraacht und starrte zum hundertneunzehnten Mal auf Bongers Boot.
    Es lag in seiner dunklen Unergründlichkeit da, und plötzlich schien es ihm, als würde es ihm zulächeln. Ein freundliches, anerkennendes Lächeln, so eins, wie es sich sogar so ein alter Kanalkasten erlauben kann, wenn er sich für die unerwartete und unverdiente Aufmerksamkeit bedanken will.
    Du alter Bootsteufel, dachte Jung. Was meinst du wohl, wie es abgelaufen ist? War es so einfach?
    Aber Bongers Kahn antwortete nicht. Zu mehr als einem diskreten Lächeln reichten seine telepathischen Fähigkeiten ganz offensichtlich nicht. Also drehte Jung ihm den Rücken zu und ging von dannen. Er setzte sich die Mütze auf und schob die Hände tief in die Manteltaschen, ein rauer Wind war von Nordwest her aufgekommen. Jetzt mussten diese Höflichkeiten ein Ende haben.
    »Ich habe eine Idee«, sagte er, als er eine Weile später in der Kantine auf Rooth stieß.
    »Ich habe Tausende«, erwiderte Rooth. »Aber keine funktioniert.«
    »Ich weiß«, sagte Jung. »Rothaarige Zwerge und Sonstiges.«
    »Den habe ich verworfen«, sagte Rooth. »Also noch neunhundertneunundneunzig. Was war das, was du sagen wolltest?«
    »Bonger«, sagte Jung. »Ich glaube, ich weiß, wo er hin

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