Muensters Fall - Roman
Handwerk ... also, was zum Teufel willst du? Wir müssen doch nicht wie die Chinesen erst den ganzen Tag um den heißen Brei herumreden!«
Münster nahm einen Schluck und schaute auf den verregneten Markt, auf dem die Menschen zwischen den Ständen hin und her hasteten. Er überlegte kurz, wie oft er eigentlich schon hier bei Adenaar’s mit dem Hauptkommissar gesessen hatte. Seinen mürrischen Auslegungen und finsteren Betrachtungen
gelauscht hatte ... und diesem absolut Klaren und Unbeugsamen, das dennoch unter allem hervorschien ... nein, es war keine große Kunst, zu begreifen, warum er abgesprungen war, dachte Münster. Schließlich hat er es fünfunddreißig Jahre lang ausgehalten.
Und es gab auch keinen Grund, sich darüber zu wundern, dass unser Herr beschlossen hatte, ihm sieben gute Jahre zu gönnen. Das hätte er selbst auch getan.
»Also?«, erinnerte Van Veeteren.
»Ja, da ist dieser Fall ...«
»Leverkuhn?«
Münster nickte.
»Wie kann der Haupt ... woher wusstest du das?«
Van Veeteren zündete seine Maschinengedrehte an und inhalierte, als hätte er gerade die allererste Zigarette erfunden.
»Fünf am Tag«, erklärte er. »Die hier ist Nummer eins. Was hast du gesagt?«
»Du wusstest, dass ich mit dir über Leverkuhn reden will?«
»Hab es geraten«, sagte Van Veeteren bescheiden. »Trotz allem ist es ja nicht das erste Mal ... und außerdem lese ich immer noch Zeitungen.«
Münster nickte etwas peinlich berührt. Das stimmte natürlich. Seit der Hauptkommissar zum Rückzug geblasen hatte, hatte Münster es bisher zwei Mal gewagt, die laufenden Ermittlungen mit ihm zu diskutieren. Beim ersten Mal, vor knapp einem Jahr, hatte er ein deutlich schlechtes Gewissen gehabt, ihn wieder in die Sachen hineinzuziehen, aber er hatte schnell begriffen, dass der alte Spürhundinstinkt noch nicht ganz verschwunden war. Dass der Hauptkommissar ab und zu eine gewisse grimmige Genugtuung darin fand, in dieser Art und Weise konsultiert zu werden. Dass er diese Tatsache jedoch unter keinen Umständen auch nur eine Sekunde lang zugeben würde, war natürlich eine andere Sache.
»Ich verstehe«, sagte Münster. »Ich wäre dir dankbar, wenn du mitmachen würdest. Ich meine, mir zuhörst ... ja, natürlich geht es um Leverkuhn, das ist nicht zu leugnen.«
Van Veeteren leerte sein Glas.
»Ich habe wie gesagt davon gelesen«, erklärte er. »Scheint etwas sonderbar zu sein ... Wenn du noch ein Bier bestellst, schärft das mein Gehör ungemein.«
Es zuckte ein wenig in seinen Wangenmuskeln. Münster trank aus und begab sich zur Bar.
Zwei Bier und fünfundvierzig Minuten später waren sie fertig. Van Veeteren lehnte sich zurück und nickte nachdenklich.
»Nein, das ist wirklich in keinerlei Hinsicht eine übliche Geschichte«, stellte er dann fest. »Das verweist irgendwie alles in ganz unterschiedliche Richtungen. Die Fäden scheinen auseinander zu laufen, statt irgendwo zusammen zu kommen.«
»Ganz genau«, sagte Münster. »Leverkuhn, Bonger und Frau Van Eck. Ich habe lange darüber nachgedacht. Die haben ja eigentlich so viel miteinander zu tun, dass es einen Zusammenhang geben müsste ... und gleichzeitig so wenig, dass einfach kein Motiv zu finden ist.«
»Mag sein, ja«, sagte Van Veeteren kryptisch. »Aber ich glaube, du solltest dich vor diesem Puzzledenken hüten ... Es wäre doch zu ärgerlich, wenn du ein Teilchen zu viel hättest.«
»Was?«, schaute Münster ihn überrascht an. »Was meinst du damit?«
Van Veeteren antwortete nicht. Er setzte sich auf seinem Stuhl zurecht und begann stattdessen von Neuem mit seiner Zigarettenmaschine zu spielen. Münster schaute wieder aus dem Fenster. Noch so ein Satz ohne Bedeutung, dachte er und spürte einen kleinen Stich der Verärgerung, der ihm so vertraut war wie ein altes Kleidungsstück.
Ein Teilchen zu viel? Nein! Er beschloss, dass das nur wieder ein Beispiel für die Vorliebe des Hauptkommissars war, alles in Vernebelungsschwaden und Mystifikationen zu tauchen, und sonst nichts ... wozu immer es in einer Situation wie der jetzigen auch gut sein sollte.
»Die Ehefrau?«, fragte Van Veeteren. »Was hältst du eigentlich von ihr?«
Münster überlegte.
»Verschlossen«, sagte er nach einer Weile. »Hat bestimmt noch einiges in petto, was sie nicht rauslassen will. Aber ich weiß nicht. Was ist schon normal, wenn man nach Hause kommt und seinen Ehemann auf diese Art und Weise abgeschlachtet vorfindet. Warum fragst du?«
Van
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