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Muensters Fall - Roman

Muensters Fall - Roman

Titel: Muensters Fall - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Veeteren zog es vor, auch diesen Aspekt nicht weiter zu erörtern. Er drückte nur auf seiner frisch gedrehten Zigarette herum und sah aus, als wäre er tief in Gedanken versunken.
    »Wie gesagt«, sagte Münster. »Ich wollte das nur mal mit dir durchsprechen. Danke, dass du mir zugehört hast.«
    Van Veeteren zündete sich eine Zigarette an und blies den Rauch auf eine Begonie, die vermutlich ebenso tot war wie die Akazien des Polizeichefs.
    »Dienstagnachmittag«, sagte er. »Gib mir ein paar Tage Zeit, um über das ein oder andere nachzudenken, vielleicht können wir dann mal wieder ein Badmintonmatch spielen. Ich muss mich ein bisschen bewegen. Aber mach dir keine allzu großen Hoffnungen ... was das hier angeht, meine ich«, fügte er hinzu und klopfte mit seinem Knöchel gegen die Stirn. »Ich bin im Augenblick eher auf Schöngeistiges und Vergnügungen eingestellt.«
    »Dienstag«, bestätigte Münster und notierte es sich auf seinem Block. »Doch, doch, ich habe davon gehört. War da nicht eine neue Frau?«
    Van Veeteren stopfte seine Zigarettendrehmaschine in die Jackentasche und schaute unergründlich drein.
     
    Zusammen kosteten die Geschenke fast fünfhundert Gulden, den Vogel schoss ein rotes Kleid für Synn für zweihundertfünfundneunzig ab. Aber was soll’s? dachte Münster. Man lebt nur einmal.
    Was hatte sie noch vor kurzem gesagt?
    Stell dir vor, wenn plötzlich alles zu Ende ist?
    Ihn durchlief ein Schauer, und er stieg ins Auto. Wie man es auch drehte und wendete, das Leben war nun mal nicht mehr
als die Summe all dieser Tage, und manchmal kam man natürlich an einen Punkt, an dem man sich mehr für das interessierte, was gewesen war, als für das, was noch zu erwarten war.
    Und dann gab es noch – zumindest hoffte er das – die eine oder andere Zeitspanne im Leben, in der man tatsächlich die Chance hatte, nur für den Moment zu leben.
    Wie zum Beispiel so ein Samstag und Sonntag Anfang November.
    Ach Scheiße, dachte Kommissar Münster. Ich wünschte, ich hätte so ein gut geschmiertes Bullenhirn, das man einfach analog zu den Arbeitszeiten ein- und ausschalten könnte. Falls es solche funktionierenden Roboter überhaupt gab. Er erinnerte sich an ein früheres Gespräch mit dem Hauptkommissar – auch das hatte vermutlich im Adenaar’s stattgefunden — über den Begriff Intuition.
    Das Gehirn funktioniert am besten, wenn du es in Ruhe lässt, hatte Van Veeteren erklärt. Gib ihm die Fragen und die Informationen, die du hast, und dann denk an etwas anderes. Wenn es eine Antwort gibt, wird sie früher oder später heraustickern.
    Wer’s glaubt, dachte Münster düster. Wahrscheinlich gibt’s doch Unterschiede zwischen den Gehirnen.
    Wie dem auch sei, nach dem Gespräch mit dem Hauptkommissar und seinem Einkauf mitten im schlimmsten Samstagsrummel bestand kein Zweifel mehr daran, dass er sich ziemlich ausgelaugt fühlte, also war es sowieso am besten, das Gehirn in aller Ruhe arbeiten zu lassen und zu sehen, ob etwas dabei heraus kam.
    Er schaute auf die Uhr. Es war zehn Minuten nach eins. Es war ein Samstag im November. Es regnete. Und er hatte nur seine Familie, um die er sich jetzt kümmern musste.

21
    Die Nacht zwischen Freitag und Samstag schlief Inspektor Moreno mehr als zwölf Stunden, und als sie gegen halb elf Uhr am Vormittag aufwachte, dauerte es eine ganze Weile, bevor sie begriff, wo sie eigentlich war.
    Und dass sie allein war.
    Dass die fünf Jahre mit Claus Badher vorbei waren und dass sie ab jetzt über sich allein verfügen konnte. Das war ein sonderbares Gefühl. Auch dass bereits mehr als ein Monat vergangen war, seit sie ihn verlassen hatte, aber ihr erst jetzt klar geworden war, dass sie ihr Schicksal in ihren eigenen Händen trug.
    Als wolle sie die Tragkraft dieser Hände überprüfen, hob sie sie aus der Bettwärme und betrachtete sie eine Weile. Eigentlich nicht besonders beeindruckend, aber so war es ja nun mal mit Frauenhänden ... unentwickelt und ein bisschen kindlich, jedenfalls bestand da ein abgrundtiefer Unterschied zu den groben und sehnigen Werkzeugen der Männer. Die waren benutzbar und schön. Wenn sie so darüber nachdachte, wurde ihr bewusst, dass sie noch nie eine schöne Frauenhand gesehen hatte. Wie Hühnerflügel, kam ihr in den Sinn ... nicht funktional und pathetisch. Zweifellos konnte man über diesen ins Auge fallenden Unterschied weiter philosophieren: wieweit er tatsächlich etwas Durchgängiges repräsentierte, wenn es um die ewige

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