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Muensters Fall - Roman

Muensters Fall - Roman

Titel: Muensters Fall - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Frage nach dem Männlichen und dem Weiblichen ging ...
    Ein Ausdruck des Wesensunterschieds? Die Hände.
    Und nie kommen sie zusammen, dachte sie, aber da tauchte plötzlich das Bild einer dunklen Männerhand auf einer weißen Frauenbrust vor ihrem inneren Auge auf, und sie musste sich eingestehen, dass es natürlich ein Zusammentreffen gab.
    Als sie später unter der Dusche stand, begriff sie außerdem, dass die Hand und diese Brust ganz und gar nicht die von Claus und ihre waren, sondern Tobose Menakdises und Filippa de Boonings, und da war mit einem Mal die ganze Ermittlung wieder hautnah bei ihr.

    Nach dem Frühstück begab sie sich auf einen längeren Spaziergang die Willemsgraacht entlang – in Richtung Lauerndammarna und Löhr. Sie ging durch den milden Regen und dachte an alles Mögliche, vor allem aber an ihre Eltern – und an ihren Bruder in Rom, den sie seit mehr als zwei Jahren nicht mehr gesehen hatte. Die Eltern waren etwas näher dran, in Groenstadt, aber der Kontakt war auch nicht besonders eng. Sicher, es war leicht, sich ein abschätziges Urteil über die Leverkuhnschen Familienbanden zu bilden, aber wenn sie ehrlich sein sollte, so stand es um die ihren auch nicht viel besser.
    Und dann hatte sie ja noch eine Schwester. Maud. Wo, wusste sie nicht, wahrscheinlich in Hamburg, und sie wusste auch nicht, in welchem Zustand.
    Vielleicht stimmte es ja, was die Anthropologen behaupteten, dass die nordeuropäische Kernfamilie ihre Rolle als ökonomischer und sozialer Faktor ausgespielt hatte und damit auch ihre emotionale Bedeutung verlor.
    Gefühle waren nur Überbau und Putzwerk. Mann und Frau trafen sich, reproduzierten sich und wanderten weiter in verschiedene Richtungen. Und zwar haargenau in die Richtung, in die man bereits gesteuert war, als man aufeinander traf ... diesem diffusen Ziel zu. Ja, vielleicht musste man es so sehen. Jedenfalls gab es genügend Vorbilder in der Tierwelt, und der Mensch war im Grunde ja auch nichts anderes als ein biologisches Wesen.
    Schade, dachte sie, schade, dass der Mensch so eine verdammte Fehlkonstruktion ist, und dass der Abstand zwischen Gehirn, Herz und Geschlecht so groß sein muss. Zumindest meistens.
    Immer?
    Der Ausschank in Czerpinskis Mühle hatte geöffnet, und sie beschloss, sich eine Tasse Tee vor der weiteren Wanderung zu gönnen. Aber nur kurz, es war bereits Viertel vor drei, und sie hatte absolut keine Lust, im Dunkeln umherzustreifen.
    Sie war kaum in der Tür, als sie an einem der Tische in dem kreisrunden Lokal Benjamin Wauters und Jan Palinski entdeckte.
Die beiden erkannten sie nicht wieder oder taten zumindest so, aber ihr war klar, dass das ein Zeichen sein musste.
    Ein Zeichen, dass es gar keinen Zweck hatte zu versuchen, die Arbeit noch länger auf größere Distanz halten zu wollen.
     
    Trotzdem hielt sie es noch eine Zeit lang aus. Am Samstagabend rief sie sowohl ihren Bruder als auch ihre Eltern an, sie schaute sich einen französischen Film aus den Sechzigern im Fernsehen an und wusch zwei Wollpullover mit der Hand. Aber als der Sonntagmorgen sich mit hohem, klarem Himmel zeigte, begriff sie, dass es vergeblich war. Er war einfach zu aufdringlich. Der Fall. Der Job. So war es nun mal, und daraus brauchte sie gar keinen Hehl zu machen.
    Es gibt etwas tief in mir, dachte sie, was das hier steuert. Ein Trieb oder ein Sog, den ich mir nie eingestehe, aber der eigentlich mein Leben bestimmt. Zumindest mein berufliches. Mir gefällt es, irgendwo herumzubohren! Mir gefällt es, andere Menschen unter die Lupe zu nehmen. Ihre Beweggründe und ihre Taten.
    Außerdem befinde ich mich mitten in meinem Zyklus, fügte sie in Gedanken hinzu. Und da kein Mann zur Verfügung steht, nehme ich es besser selbst in die Hand.
    Über den letzten Gedanken musste sie lachen, während sie auf den Bus zum Kolderweg wartete. Arbeit statt Liebe? Das war ja vollkommen absurd! Wenn Claus ihre Gedanken nur fünf Minuten lang hätte verfolgen dürfen, würde er sich wahrscheinlich nie wieder trauen, mit ihr zusammenzutreffen.
    Aber vielleicht war das ja bei allen Beziehungen so?
    Bei allen Frauen und ihren Männern mit den schönen Händen? Da kam der Bus.
     
    Die Tür wurde von einer vollkommen fremden Frau geöffnet, und für einen Moment spürte Moreno die Möglichkeit eines Durchbruchs. Dann stellte die Frau sich als Helena Winther vor, die jüngere Schwester von Arnold Van Eck, und die Hoffnung zerfiel zu Staub.

    »Ich bin gestern gekommen«, erklärte

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