Muensters Fall - Roman
drei Sätze sicher nach Hause geholt, wie immer, aber der Hauptkommissar – der Hauptkommissar a. D. – hatte hervorragenden Widerstand geleistet. 15-9, 15-11, 15-6 waren Zahlen, die eher darauf hinwiesen, dass seine Kondition sich verbessert hatte, seit er das Präsidium verlassen hatte, als auf das Gegenteil.
Außerdem hat er es wohl nicht mehr so weit bis zur Sechzig?, überlegte Münster, während er versuchte, den Gedanken wegzuscheuchen, dass die gute Leistung Van Veeterens etwas mit seiner eigenen Tagesform zu tun haben könnte.
»Und, auf ins Adenaar’s?«, fragte Van Veeteren, als sie wieder im Foyer waren. »Denn ich kann mir doch denken, dass du was auf dem Herzen hast.«
Münster hustete etwas angestrengt und nickte.
»Wenn der Hauptkommissar Zeit hat?«
»Nicht schon wieder dieses Wort«, knurrte Van Veeteren.
»Entschuldigung«, sagte Münster. »Aber es dauert seine Zeit, sich daran zu gewöhnen.«
»Das weiß ich wohl«, sagte Van Veeteren und hielt die Tür auf. »Es ist wieder der Fall Leverkuhn, um den es geht, nehme ich an?«
Münster warf einen Blick auf den Markt und holte tief Luft.
»Ja«, gab er zu. »Die Verhandlung beginnt heute. Ich kriege es nicht aus meinem Kopf raus.«
Van Veeteren holte umständlich seine Zigarettendrehmaschine heraus und stopfte Tabak in die ausgestanzte Schiene.
»Das sind die schlimmsten«, stellte er fest. »Diejenigen, die einem nicht mal nachts in Ruhe lassen.«
»Genau«, bestätigte Münster. »Ich träume von diesem verfluchten Fall ... kriege irgendwie keine Linie rein, weder wenn ich schlafe, noch wenn ich wach bin. Und dabei bin ich es schon hundertmal durchgegangen, sowohl mit Jung als auch mit Moreno, es bringt nichts.«
»Und Reinhart?«, fragte Van Veeteren.
»Hat doch dienstfrei«, seufzte Münster. »Spielt mit seiner Tochter.«
»Ach ja«, erinnerte sich Van Veeteren und drückte den Verschluss runter, sodass eine fertig gedrehte Zigarette auf den Tisch rollte. Mit zufriedener Miene steckte er sie sich zwischen die Lippen und zündete sie an. Münster beobachtete sein Vorgehen schweigend.
»Du glaubst also nicht, dass sie es war?«, fragte Van Veeteren nach dem ersten Zug. »Oder worum geht es?«
Münster zuckte die Achseln.
»Ich weiß nicht«, gab er zu. »Doch, doch, sie wird es schon gewesen sein, aber der Fall ist damit immer noch nicht aufgeklärte. Wir haben ja auch noch Frau Van Eck und diesen verfluchten Bonger. Niemand hat auch nur den blassesten Schimmer von den beiden gesehen, seit sie verschwunden sind, und das ist jetzt schon über einen Monat her.«
»Und Frau Leverkuhn hat nichts mit ihnen zu tun?«
Münster nahm einen großen Schluck und schüttelte den Kopf.
»Überhaupt nichts. jedenfalls laut ihrer Aussage. Wir haben sie uns kräftig vorgenommen, nachdem sie gestanden hatte, aber sie ist um keinen Millimeter von ihrer Linie abgewichen. Hat ihren Mann in einem Wutanfall erstochen, das gibt sie zu, aber was die beiden anderen angeht, so ist sie unschuldig wie ein Lamm, behauptet sie.«
»Warum hat sie ihren Mann erstochen?«
»Ja, warum?«, wiederholte Münster finster. »Sie sagt, dass es der berühmte Tropfen war, der den Becher hat überlaufen lassen, das war alles.«
»Hm«, sagte Van Veeteren. »Und was für eine Art Tropfen war das, hat sie das präzisiert? Wenn wir nun einmal davon ausgehen, dass der Becher voll war.«
»Dass er Geld genommen hat und nicht im Traum daran gedacht hat, ihr etwas davon abzugeben, offensichtlich. Sie behauptet, sie wäre nach Hause gekommen, und er hätte im Bett gelegen und herumgefaselt, was er sich alles kaufen würde, und nach einer Weile hatte sie genug davon.«
Van Veeteren rauchte und überlegte.
»Kann schon so abgelaufen sein«, sagte er. »Ist sie der Typ?«
Münster kratzte sich am Kopf.
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Wenn wir annehmen, dass der Becher ihr ganzes Leben sein soll – oder zumindest die Zeit, die sie verheiratet waren –, kann es natürlich stimmen, aber das ist für einen Außenstehenden schwer zu beurteilen. Wie dem auch sei, sie stellt die Sache jedenfalls so dar, dass sie das eine oder andere hat ertragen müssen und dass es plötzlich einfach nicht mehr ging. Etwas sei in ihr zerbrochen, sagt sie, und da hat sie es getan.«
Van Veeteren lehnte sich zurück und schaute zur Decke.
»Und Theorien?«, fragte er nach einer Weile. »Hast du welche? Was glaubst du? Zum Beispiel hinsichtlich dieser Dame Van Eck?«
Münster
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