Muensters Fall - Roman
Das heißt natürlich, nur wenn Sie Zeit haben?«
»Aber selbstverständlich.«
Engel zog seine Hose hoch, die dazu neigte, zu Boden rutschen zu wollen, und zeigte auf den freien Stuhl. Sie setzte sich und wartete zwei Sekunden.
»Welche Verbindung bestand zwischen Leverkuhn und Frau Van Eck?«
»Was?«, fragte Engel zurück, sich setzend.
Sie beugte sich über den Tisch und legte los.
»Hören Sie«, sagte sie. »Ich meine, es muss doch irgendein Verbindungsglied zwischen den beiden Ereignissen hier im Haus geben ... irgendeinen kleinen Faktor, der verantwortlich dafür ist, dass ausgerechnet diese beiden ... aus dem Weg geräumt wurden. Es kann alles Mögliche sein, aber für einen Außenstehenden ist es fast unmöglich, es in den Blick zu kriegen. Sie haben ja mit beiden zwanzig Jahre dicht an dicht gewohnt, Herr Engel, Sie müssten doch die richtige Person sein, um etwas sagen zu können ... können Sie sich nicht irgendeinen Zusammenhang
denken, könnte es nicht sein, dass Waldemar Leverkuhn und Else Van Eck irgendwann mal sozusagen aus dem gleichen Teller gelöffelt haben?«
»Meinen Sie, ob die beiden was miteinander hatten?«
Moreno unterdrückte einen Seufzer.
»Das nicht. So weit muss man gar nicht gehen ... aber ich kann es nicht weiter präzisieren, weil ich nicht weiß, worauf ich eigentlich hinaus will.«
»Ja«, sagte Engel, »das verstehe ich.«
Er klappte die Kiefer mit einem Klacken zu, und sie begriff, dass er im Augenblick mehr dazu neigte, sie als Bulle denn als Frau anzusehen.
»Machen Sie sich denn selbst keine Sorgen, Herr Engel?«
Die Reminiszenz an seine Männlichkeit legte natürlich einer ehrlichen Antwort Hindernisse in den Weg. Er räusperte sich, streckte sich, dass es knackte, aber trotzdem schien es ihr, als würde die Angst durchscheinen. Sie dümpelte dort herum wie ein dunkler Teich unter dem Eis einer Nacht.
»Ach wissen Sie meine Liebe, ich mache mir um mich nicht besonders viel Sorgen«, brachte er hervor, während er versuchte, seinen Blick gerade zu halten. »Man hat gelernt, in dieser Welt zurecht zu kommen.«
»Haben Sie bemerkt, ob einer Ihrer Nachbarn stärker beunruhigt ist?«, hakte sie nach. »Wenn Sie jemanden auf der Treppe treffen oder so?«
»Die Nachbarn? Nein ... wirklich nicht.«
Dann fing er an zu husten, und während die Hustenattacke abebbte, saß Moreno unbeweglich da und versuchte, diese letzte Äußerung einzuordnen.
War sie wirklich so eindeutig distanzierend, wie er versucht hatte, sie klingen zu lassen?
Weitere zwei Stunden später, als sie in ein nach Eukalyptus duftendes Schaumbad kletterte, hatte sie diese Frage immer noch nicht abschließend beantwortet.
Auch in der Nacht zu Montag schlief Inspektor Ewa Moreno tief und ohne Unterbrechungen, und als sie sich am nächsten Morgen mit der Straßenbahn auf den Weg ins Polizeipräsidium machte, wurde ihr klar, dass sie endlich wieder zu sich selbst gefunden hatte. Der akkumulierte Schlafbedarf war gestillt worden, und zum ersten Mal seit langem fühlte sie sich wieder richtig arbeitsfähig.
Bereit, dem entgegenzusehen, was auch immer von ihr erwartet wurde.
Da hatte sie sich aber getäuscht. Denn was Kommissar Münster ihr zu erzählen hatte, als sie sein Zimmer betrat, verschlug ihr dann doch die Sprache.
»Was Neues?«, fragte sie.
»Das kann man wohl sagen«, sagte Münster und schaute von seinem Papierstapel auf, in dem er blätterte. »Sie hat gestanden.«
»Was?«, fragte Moreno.
»Frau Leverkuhn. Sie hat heute Morgen um Viertel nach sieben angerufen und gestanden, dass sie ihren Mann ermordet hat.«
Moreno setzte sich auf einen Stuhl.
»Verdammt«, sagte sie. »Dann war sie es also doch?«
»Jedenfalls behauptet sie das«, sagte Münster.
III
22
Die Polizei brauchte drei Tage, danach ließ man sie im Großen und Ganzen in Ruhe. Ab der zweiten Woche beschränkte sich ihr Besuch nur noch auf eine Hand voll Personen.
Der Anwalt hieß Bachmann und kam fast jeden Tag, zumindest anfangs. Sie hatte ihn bereits bei ihrem ersten Verhör im Polizeipräsidium kennen gelernt, und er hatte keinen besonders guten Eindruck auf sie gemacht. Ein gut gekleideter, übergewichtiger Mann in den Fünfzigern mit dickem, wogendem Haar, das er vermutlich färbte. Breiter Siegelring und kräftige weiße Zähne. Von Anfang an wollte er, dass sie auf Totschlag hinarbeiten sollten, sie tat ihm den Gefallen, ohne näher darüber nachzudenken.
Sie mochte ihn nicht. Je mehr sie ihn
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