Muensters Fall - Roman
geheimnisvoll. »Er war gezwungen dazu.«
Jung starrte sie ungläubig an, und Rooth schüttelte den Kopf.
»Was für Geschäfte denn?«
»Schulden«, erklärte Barga und klopfte dreimal mit dem Knöchel auf den Tisch. »Er hatte hohe Schulden. Sie waren hinter ihm her. Ich habe nur wenige Tage, bevor er verschwunden ist, mit ihm geredet. Er ist untergetaucht, ganz einfach. Mit den Typen aus der Branche ist nicht zu scherzen.«
»Aus welcher Branche?«, wollte Rooth wissen.
»Das kann was mit der Schwester zu tun haben«, fuhr Barga fort und schaute misstrauisch in ihren Becher, als könnte ihre Freundin mit der Zuteilung geschlampt haben.
»Ich wusste nicht, dass er eine Schwester hat«, sagte Jung. »Wo wohnt sie?«
»Das weiß niemand«, warf Frau Jümpers ein. »Sie ist auch unter mysteriösen Umständen verschwunden, vor ... ja, wann war das eigentlich? Ich glaube, es ist jetzt fünfzehn Jahre her, wurde verrückt und ist später in Limburg wieder aufgetaucht, wie es heißt.«
»Und von was für einer Branche redet ihr da?«, beharrte Rooth.
»Ich sage nichts, dann habe ich auch nichts gesagt«, erklärte Barga und holte eine zerknitterte Zigarette hervor. »Es ist nicht gesund, das Maul zu weit aufzureißen.«
»Mein Gott«, seufzte Jung.
»Prost«, sagte Frau Jümpers. »Kümmert euch nicht um sie. So redet sie immer, wenn sie nicht weiß, worum es eigentlich geht. Sie ist schon seit dreißig Jahren senil.«
»Pah«, sagte Barga und zündete ihre Zigarette an. »Bonger hatte Sorgen, darüber müsst ihr euch klar sein. Ich würde darauf tippen, dass er in Hamburg oder Südamerika ist und dass er sich hüten wird, wieder zurück zu kommen.«
Einige Sekunden lang blieb es still, während die Becher geleert wurden. Dann fand Rooth, es wäre an der Zeit, das Thema zu wechseln.
»Warum ist sein Boot so vertäut?«, fragte er. »Das sieht etwas merkwürdig aus.«
»Ups«, rülpste Frau Jümpers. »Das liegt schon seit zwanzig Jahren so da. Das lag an dem früheren Besitzer – er war irgend so eine Art Moslem und wollte auf allen Seiten seines Kahns offenes Wasser haben, das war gut für sein Karma oder irgend so was.«
Jung hatte das Gefühl, dass sie jetzt wohl einige Lehren miteinander vermischte, ließ die Sache aber auf sich beruhen. Er
warf Rooth einen Blick zu, dieser sah langsam ziemlich genervt aus. Vermutlich war das hier eh alles verlorene Liebesmüh.
»Nun, es ist an der Zeit, weiterzukommen«, sagte er und trank die letzten Tropfen.
»Mag sein«, sagte Rooth. »Aber vielen Dank. Das war interessant.«
»Na, dann raus mit euch«, sagte Barga und wedelte mit ihrer Zigarette. »Seht zu, dass ihr ein bisschen unter dem Gesindel aufräumt, damit eine anständige Frau sich wieder traut, allein nach Hause zu gehen.«
»Ach, leck mich«, sagte Frau Jümpers.
»Was zum Teufel hatten wir da zu suchen?«, wunderte Rooth sich, als sie wieder auf dem frostigen Kai standen.
Jung zuckte mit den Schultern.
»Ich weiß nicht. Münster wollte, dass wir die Lage überprüfen. Scheint ihm schwer zu fallen, von diesem Fall zu lassen.«
Rooth nickte mit finsterer Miene.
»Ja, scheint so«, stimmte er zu. »Aber ich für meinen Teil würde gern einen Schlussstrich unter diesen ganzen Besuch ziehen. Schließlich hat man schon schönere Frauenzimmer gesehen.«
»Das hoffe ich doch«, kicherte Jung. »Aber was hältst du eigentlich von dieser Barga?«
Rooth schüttelte sich.
»Total verrückt«, sagte er. »Das war doch alles unzusammenhängendes Gefasel, was sie gesagt hat. Zuerst war es ein Rätsel, dann wusste sie plötzlich alles Mögliche ... und falls Bonger wirklich jemandem Geld schuldete, dann hatte er doch jetzt bestimmt so manchen Gulden übrig, nachdem er gewonnen hatte.«
»Genau das habe ich mir auch gedacht«, bestätigte Jung.
»Daran zweifle ich ja«, sagte Rooth. »Sollen wir das hier jetzt einfach abhaken?«
»Von mir aus gern«, sagte Jung.
Moreno fuhr mit dem Wagen nach Wernice. Sie hatte keine großen Hoffnungen, von Ruth Leverkuhn freundlich empfangen zu werden, aber während sie im Auto saß und darauf wartete, dass die Klappbrücke über die Maar sich öffnen und wieder schließen würde, dachte sie über den Sinn ihres Besuchs nach. Falls es überhaupt einen gab. Ruth Leverkuhn hatte reichlich abweisend am Telefon geklungen. Sie konnte nicht verstehen, warum die Polizei ihre Nase noch tiefer in ihre Familientragödie stecken wollte, als sie es bereits getan
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