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MUH!

MUH!

Titel: MUH! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Safier
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ich ihnen: «Ich habe heute Morgen einen anderen Bauern belauscht. Der hat gesagt, dass unser Bauer uns mit einem Trick wieder einfangen wird. Das ist der Trick: Champion soll uns locken.»
    «Hilde, lass uns schnäuzeln!», rief Champion erneut.
    Susi war verblüfft: «Jetzt wird er aber wirklich arg wahllos …»
    Hilde blickte sie sauer an.
    «Oder», vollendete Radieschen geschockt, «es stimmt, was Lolle sagt. Er soll uns locken.»
    Giacomo atmete tief durch: «Wie sagte schon einst der berühmte Verführer Katzanova: Geilheit stürzt in die Verderben!»
    «Aber», fragte Radieschen leise, «wenn das stimmt, warum gibt sich Champion für so etwas her?»
    «Ich nehme an, der Bauer hat ihn gezwungen …», mutmaßte ich.
    «Man kann sich dem doch widersetzen!», fand Hilde.
    «Nicht, wenn man wolle sich selber rette», merkte Giacomo an.
    Hilde schnaubte daraufhin verächtlich: «Er versucht, unser Leben für seins einzutauschen.»
    Was für ein entsetzlicher Gedanke! Wenn Champion uns tatsächlich zum Schlachter führen wollte, um sich selbst zu retten, dann war es ein Verrat. Nicht nur an unserer Liebe. Sondern auch an der Kuhlichkeit.
    Hinter Champion tauchte jetzt der Bauer auf. Ich hatte also recht gehabt, er benutzte Champion als Lockvogel.
    Recht zu haben, war noch nie so schrecklich gewesen!
    Wir verzogen uns schnell hinter die Büsche und waren mucksmäuschenstill.
    Der Bauer schien sehr frustriert zu sein, und wir hörten, wie er laut vor sich hin fluchte: «Die Idioten im Verkehrsfunk haben doch gesagt, dass Kühe auf der Landstraße frei rumlaufen. Die müssen hier doch irgendwo sein!»
    Hinter uns am Tümpel hörten wir noch jemand ganz anderes fluchen, den Frosch: «Ich fass es nicht, die hat tatsächlich auf mich draufgepinkelt! Die blöde Kuh! Wenn ich je wieder Mensch werde, wird in meinem Reich Rinderbraten Nationalgericht!»
    Bei dem Wort «Kuh» blickte Champion zu uns. Er entdeckte, wie wir hinter den Büschen standen. Und er sah uns an. Wir alle hielten die Luft an. Gleich würde Champion uns verraten, der Bauer würde seinen Knallstab nehmen, und wir vier Kühe würden sterben. Oder nein, wir fünf Kühe! In mir war ein ungeborenes Kalb, das ebenfalls getötet werden würde. Verraten von dem eigenen Vater.
    Champion blickte mir nun direkt in die Augen, und ich erstarrte. Ja, ich hatte vor dem Stier, den ich so liebte, Angst. Todesangst.
    Doch Champion muhte nicht laut los, um den Bauern auf uns aufmerksam zu machen. Er schien mit sich selbst zu ringen, was er tun sollte. Dann, mit einem Male, hatte sein inneres Ringen ein Ende, und er schien ganz ruhig und entspannt. Als ob er zu einer Entscheidung gekommen war und mit dieser gut leben konnte. Würde er jetzt laut losbrüllen?
    Er tat nichts dergleichen. Er schwieg und lächelte mir zu. Sichtlich froh, dass ich noch am Leben war. Dann nickte er freundlich, so als ob er sich für immer von mir verabschieden wollte, und trottete zu dem Bauern. Ohne uns zu verraten. Ohne sein ungeborenes Kind zu verraten. Er hatte eine Entscheidung getroffen.
    Am liebsten hätte ich Champion jetzt zugemuht, dass er Vater wird, aber das hätte uns alle ins Verderben gestürzt. So schwieg ich, und es zeriss mir das Herz, ihn so davongehen zu sehen, ohne mit ihm reden zu können, geschweige denn, ihm einen Kuss auf die Schnauze zu geben.
    Der völlig frustrierte Bauer führte ihn zu einem großen Audoo, das im hinteren Teil Platz für viele Kühe bot. Er scheuchte Champion herein und schloss dann die Tür hinter ihm. Er selbst setzte sich vorne in das Gefährt hinein und begann, aus einer Flasche Scheißkorn zu trinken. Champion war in dem Schlund des Audoos verschwunden und würde damit bestimmt zur Schlachtbank gefahren. Aber er hatte uns nicht verraten.
    Vermutlich hatte er wirklich vor, uns zu verraten, um sein Leben zu retten. Ein Impuls, der verständlich war und sogar verzeihlich, denn im entscheidenden Augenblick hatte er es doch nicht getan. Das machte ihn zu einem Helden. Zu einem, der freiwillig in den Tod ging. Mit dem Trost, dass wir lebten.
    Doch dieser Trost für ihn war für mich kein Trost.
    Ich sank hinter den Büschen zu Boden und begann leise zu weinen.
    Die anderen legten sich zu mir und schnäuzelten mich. Auch Giacomo, der sich das Schnäuzeln von uns Kühen abgeguckt hatte. Ja, selbst Susi, die keine Wut gegen Champion mehr aufbringen konnte, machte mit. Sie musste genauso weinen wie ich und schnäuzelte mich am dollsten. Und ich

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