MUH!
furchtbarsten aber würde es für das Kleine selber sein, denn es musste ohne seine Großeltern aufwachsen. Und das nur, weil Menschen Tiere aßen. Warum konnten die keine Wiederkäuer sein wie wir normalen Tiere?
Champion richtete die Augen nach oben in den Himmel, als ob die Verstorbenen ihm von dort aus zuhören konnten: «Ihr Lieben in unserer alten Herde, die ihr verstorben seid, ich kann mich zwar nicht an euch erinnern, sosehr ich mir das auch wünsche. Aber ich kann euch eines aus ganzem Herzen versprechen: Wir werden euch nie vergessen!»
Jetzt rang ich mit den Tränen. Susi ging es genauso. Bei Radieschen kullerten bereits die Tränen. Selbst Hilde schluckte und sagte mit brüchiger Stimme zu Champion: «Vielleicht bist du doch nicht so ein Knalldepp.»
«Mir ist auch gar nicht klar, wie ihr immer darauf kommt», antwortete er völlig ironiefrei. Er konnte sich einfach nicht erklären, warum man ihn für einen solchen halten konnte. «Ich bin doch ein Prachtkerl.»
Da mussten Susi, Hilde und ich – mit Tränen in den Augen – lachen. Es war ein komisches Gefühl, gleichzeitig zu weinen und zu lachen. Es gibt nichts, was einen mehr durchschüttelt. Man fühlt sich lebendig und verletzlich zugleich.
«Was denn, was denn?», fragte Champion irritiert.
«Du bist doch ein Knalldepp», stupste Hilde ihn freundlich mit der Nase an, «aber vielleicht kein so mieser.»
Champion war verwirrt, wir anderen lachten nur noch, außer Radieschen, die immer weiter weinen musste. Wir gingen alle zu ihr und schnäuzelten sie, selbst Champion tat dies, in einem seltenen Augenblick männlichen Mitgefühls.
Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, dass der alte Käpt’n uns beobachtete und sich dabei fragte: «Warum nur bin ich keine Kuh?» Verrückt, der Mensch wollte eine Kuh sein und ich ein Fisch. Richtig absurd wäre es, wenn die Fische auch noch Menschen hätten sein wollen. Aber nein, das wäre zu albern. So blöd, sich so etwas zu wünschen, konnte kein Tier sein.
«Wir haben ein so tolles Leben», schluchzte Radieschen, «und sind zu wenig dankbar.»
«Also, ich finde», meinte Susi, während wir weiter schnäuzelten, «das mit dem tollen Leben ist Ansichtssache.»
Hilde stimmte ihr zu: «Und man muss da schon eine recht merkwürdige Ansicht haben, um das hier klasse zu finden.»
Ich wollte auch gerade mit in die Klage einstimmen, da schluchzte Radieschen: «Oh doch, wir haben es toll! Wir leben!»
Als sie dies gesagt hatte, begannen wir alle wieder zu weinen, weil sie so recht hatte. Sogar Champion kamen jetzt die Tränen.
Aus der Ferne hörte ich durch unser Weinen und Schnäuzeln hindurch, wie der Käpt’n murmelte: «Ich habe den Eindruck, die Kühe brauchen auch Antidepressiva.»
Mit einem Schlag hörte Radieschen auf zu weinen, schnaubte tief durch und erklärte dann: «Wir haben Glück und sollten es genießen.»
Wir waren davon so überrascht, dass wir ebenfalls unsere Tränen wegwischten.
Das also bedeutete Glück.
Dass man lebte.
So einfach war das.
Kapitel 34
Die Sonne versank jetzt endgültig im Meer. Ich hatte mich schon immer gefragt, wo sie wohl ihre Nächte verbrachte, jetzt wusste ich es endlich: Sie legte sich unter der Wasseroberfläche zur Ruhe. Allerdings musste die Sonne ganz, ganz tief im Wasser versunken sein, denn man konnte sie kein bisschen mehr leuchten sehen. Mond und Sterne spiegelten sich in den dunklen Wellen. Als ganz friedlich empfand ich nach all den harten Tagen diesen Anblick, das leise Plätschern des Wassers gegen den Schiffsrumpf, dieses leichte Schwanken des Bodens unter meinen Hufen, die sanfte Brise des Windes in meinem Fell und die frische Luft in meinen Nüstern. Was ich fühlte, war eine große Erleichterung, bei all den Abenteuern mit dem Leben davongekommen zu sein. Und eine tiefe Dankbarkeit. Wenn diese Gefühle Glück waren, dann war ich wirklich glücklich.
Dumm nur, dass dieses Gefühl nicht allzu lange anhielt.
Ein kleiner undankbarer Teil in mir begann sich zu regen und fand, dass das Leben doch mehr sein musste, als einfach nur zu überleben. Ich versuchte, diesen zweifelnden Teil zu unterdrücken, aber je mehr ich mich anstrengte, desto lauter wurde der Zweifler in mir. Er fand, dass sich dieses Glück, das ich empfand, nicht wirklich anfühlte wie Glück, sondern eben nur wie Erleichterung. Und dass Erleichterung und Glück ja wohl nicht dasselbe waren. Denn sonst würde ja Erleichterung nicht Erleichterung heißen, sondern Glück. Und es
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