MUH!
tut.»
«Auf eine unfassbar schöne Art und Weise», stimmte ich ihm zu.
«Dich liebe ich auch», flüsterte Champion.
Dies ließ mich für einen Moment verstummen. Das hatte er noch nie gesagt. Auch nicht in der Zeit, in der er sein Gedächtnis noch nicht verloren hatte und wir auf dem Hof gelebt hatten.
Aber wir waren jetzt ja auch zwei ganz andere Kühe als früher.
Er war nicht mehr der ungestüme Stier, der nur an sich selber dachte. Und ich nicht die verträumte dumme Kuh, die auf ihre eigene Art und Weise mit ihrem großen Lebenstraum von einer Familie auch nur an sich selbst gedacht hatte.
So antwortete ich: «Ich liebe dich auch.»
Wir blickten uns tief in die Augen, voller Liebe. Und unser kleines Kalb lag dabei zwischen uns. So glücklich war ich in meinem ganzen Leben noch nicht gewesen.
Kapitel 59
«Sicherlich erinnerst du dich daran, was ich dir gesagt habe?», grinste Old Dog mit seiner blutverschmierten Schnauze. Er stand mir gegenüber, hier auf dem Pfad im Himalaja, direkt neben der eingefrorenen Blume.
«Dass ich ein Muhsical machen soll?», antwortete ich schwach, während mir der Schnee ins Gesicht wehte.
Er lachte über meine ausweichende Antwort und stellte fest: «Du erinnerst dich also noch!»
«Du kommst, wenn ich am glücklichsten bin …», bestätigte ich leise.
Diesmal wachte ich nicht schreiend auf, sondern zitternd. Nicht etwa, weil es draußen wieder schneite, ich schlotterte vor Furcht. Ich war sicher, dass ich heute noch Old Dog begegnen würde. Er wusste, wo ich war, weil er in meine Träume wandern konnte. Davon war ich jetzt endgültig überzeugt. Und er hatte genug Zeit, von New York hierherzukommen, während wir bei den Wagjus waren. Mein Schicksal würde sich heute entscheiden. Und das von meinem Kind. Und von meinem Stier.
Mein Stier …
… auch das hörte sich gut an.
Die Kleine öffnete vor allen anderen ihre Äuglein und wollte gleich wieder gestillt werden. Von dem leisen, saugenden Geräusch wurde Champion geweckt. Er beobachtete uns beide liebevoll und lächelte: «Ich sehe jetzt Euter mit ganz anderen Augen.»
Trotz meiner Furcht musste ich grinsen. Es war so schön: Ich lag hier mit meiner Familie.
Meine Familie …
… das hörte sich am allerbesten an.
Ich hatte eine Familie, wie ich sie mir immer gewünscht hatte, seitdem ich die Eintagsfliegen Summ und Herum gesehen hatte. Nur ganz anders als gedacht. Besser. Viel besser! Mit einem süßen Kälbchen. Mit Schwestern wie Hilde, Radieschen und, ja, auch Susi (es muss auch Schwestern geben, die ein bisschen nervig sind), einem Kater als Onkel und einem aufrecht liebenden, zärtlichen Stier. Das machte mich glücklich, selbst wenn dies bedeutete, dass Old Dog mir erscheinen würde.
Die anderen wachten ebenfalls langsam auf, wir beiden Eltern nahmen aber kaum Notiz von ihnen, weil wir so von unserer Kleinen gefangen waren.
«Ähem», fragte Susi, unangenehm berührt, «hat jemand das da gesehen?»
Champion und ich achteten gar nicht auf sie.
«Ihh!!!», erschrak sich Radieschen.
Darauf achteten wir dann doch.
Ich setzte die Kleine vom Euter ab – sie hatte sich schon satt getrunken und nuckelte nur noch – und sah zu den anderen, die wiederum auf einen Haufen Knochen in einer Ecke starrten, in die wir am gestrigen Abend, erschöpft, wie wir gewesen waren, nicht geschaut hatten.
«Irgendjemande hatte hier gemacht die Happa-happa», schluckte Giacomo.
«Ganz schön viel Happa-happa», meinte Hilde eingeschüchtert. «Die Knochen gehören zu einem riesigen Tier.»
«Gehörten», korrigierte Champion.
«Das muss von einem noch größeren gefressen worden sein», schlussfolgerte Susi, und ihre Stimme vibrierte dabei vor Angst.
«Oder einem brutaleren», erwiderte ich leise, konnte ich mir doch schon denken, wer hier so gewütet hatte.
«Auf jeden Fall», meinte Hilde, «sieht das nicht gut aus.»
Susi korrigierte sie: «Lolle sieht nicht gut aus, jetzt, wo nach der Geburt alles bei ihr schwabbelt. Das hier sieht absolut fürchterlich aus.»
Ich ging auf ihre Unverschämtheit gar nicht ein, denn in diesem Moment hörten wir ein fürchterliches Brüllen.
Radieschen schluckte: «Und das hört sich nicht gut an.»
Mein kleines weißes Kalb wollte vor lauter Schreck wieder in meinen Bauch zurückkrabbeln. Aber zum einen war dies nicht möglich (sonst würden es wohl viele Kälber machen, wenn sie die Welt erst mal ein bisschen kennengelernt hatten), und zum anderen wäre auch mein Körper kein
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