Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert
Autoren: Uwe Hinrichs
Vom Netzwerk:
unterstützen diesen Wandel kräftig.
    Dass der Genitiv insgesamt massiv auf dem Rückzug sein muss, kann man leicht beweisen: Die ganze Liste der deutschen Präpositionen, die nach der offiziellen Grammatik mit Genitiv stehen, wechseln in der Sprechsprache allmählich zum Dativ hinüber – ein unerhörter Vorgang, der die gewaltigen Kasusbewegungen anzeigt. So geht es den Präpositionen aufgrund, wegen, trotz, laut u.a. Man hört und spricht also wegen de m Ereignis, laut eine m Bericht , man liest und schreibt aber immer noch wegen de s Ereigniss es , laut eine s Bericht s . (Das Modell der Zukunft – wegen den Bericht, gemäß den Protokoll – hört sich heute noch zu verwegen an, als dass es sich schon jetzt flächendeckend im Sprachgebrauch einnisten könnte. Es ist eine Frage der Zeit.)
    Wie sieht es nun überhaupt mit dem Dativ aus?
Der Dativ lebt länger
    Es geht ihm insgesamt nicht viel besser als dem Genitiv: ein Kasus auf dem Rückzug. Jedoch sind die Verhältnisse anders. Auch dieser Fall unterliegt im Deutschen einer massiven Erschütterung, ja einem rasanten Abbau; es ist abzusehen, dass auch die alten echten Dativformen mehr und mehr aus der gesprochenen Sprache verschwinden. Denn flächendeckend hört man heute Wendungen dieser Art:
    â€“ Sie ging mit den Kinder noch ein Eis essen.
    â€“ Er ist den Hindernis rechtzeitig ausgewichen.
    â€“ Er bot ihn Geld an.
    Hier könnte man Bastian Sicks Bonmot abwandeln: «Der Akkusativ ist den Dativ sein Tod» – d.h. der Dativ räumt viele seiner angestammten Bastionen und überlässt sie anderen Formen, die auf den ersten Blick oft wie Akkusative aussehen. Insgesamt ergeben sich vier Felder des Rückzugs:
    der Dativ wird nicht mehr (überall) markiert ( man muss es den Wählerinnen und Wähler_ sagen );
    der Dativ wird durch den Akkusativ ersetzt ( ich habe es ih n versprochen );
    der Dativ wird nach Präpositionen durch etwas ersetzt, was auf den ersten Blick wie Akkusativ aussieht ( mit dies en Problem ), aber von der Deklination nicht immer gestützt wird: Wir nennen das ‹Kasus-Mimikry› – eine Art ‹Verkleidung› als Akkusativ.[ 6 ]
    Schließlich haben wir auch hier noch eine scheinbare Gegenbewegung: Neue ‹falsche› Dative schleichen sich in den Sprachgebrauch ein. Dieses Phänomen taucht oft bei ORT und RICHTUNG auf und kopiert eine Methode aus Migrantensprachen: Die Politiker fuhren auf eine m Finanzgipfel .
Der Dativ fällt weg
    Beginnen wir mit dem Wegfall des Kasuszeichens: Auch der Dativ kann als eine Form mit einer bestimmten Endung schon ganz ausgelassen werden, allerdings mit Einschränkungen; auch hier wirkt das kreolische Prinzip. In größeren Wortgruppen wird die Kasussilbe oft verschluckt:
    â€“ Ich habe es von den Schwimmer_ gehört.
    â€“ Der Strom wird vom Norden in den Süden geleitet, zu den großen Verbraucher_.
    â€“ Dies kann man den Wählerinnen und Wähler_ durchaus zumuten.
    Da die Political Correctness immer mächtiger wird und die Mitnennung von femininen Bezeichnungen erbarmungslos einfordert, gehört dieser Fall schon zum offiziellen Polit-Sprech:
    â€“ (den) Bürgerinnen und Bürger_, mit bekannten Schriftstellerinnen und Schriftsteller_, aber auch schon einzeln mit den Amerikaner_, von den Peruaner_, in den neuen Länder_ etc.
    Dativ wird formal im ersten oder zweiten Glied der Wortgruppe oft noch eingehalten, während er im letzten Teil einfachverschwindet (eine Sache der Ökonomie). Offenbar nimmt auch hier die Bindung der Kasusformen mit wachsender Ausdehnung des Satzes schnell ab, zumal weiter vorne ja ‹Kasus› bereits einmal gesetzt ist ( den Bürgerinnen ): Auch dies eine Spur des kreolischen Prinzips.
Der Dativ wird (vom Akkusativ) ersetzt
    Sehen wir uns einige Ersatzformen genauer an, z.B. nach Verben, die eigentlich den Dativ ‹fordern›:
    â€“ Die Frage ist, ob ihn der Ehrensold in voller Höhe zusteht.
    â€“ Sie hat ihren Bruder davon abgeraten.
    â€“ Er hat das seinen Richter versprechen müssen.
    Auch diese Fälle sehen in geschriebener Optik (und unterstrichen) noch seltsam aus, kommen aber laufend vor, ja sie haben bereits etwas vollkommen Regelhaftes an sich, weil die alten Formen ( seinem Richter ) kaum noch gebraucht werden: Jeder Tagesschausprecher würde heute sagen er hat es seinen Richter zugesichert . Am
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher