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Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert
Autoren: Uwe Hinrichs
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de m Lager herauszukommen.
    ? Von eine m solchen Ergebnis kann man nur träumen.
    Besonders das semantische Feld ORT und RICHTUNG erzeugt laufend neue Pseudo-Akkusative, die den Akkusativ von maskulinen Substantiven imitieren:
    â€“ Auf den Luftwaffenstützpunkt Ramstein arbeiten circa 50 Tausend US-Amerikaner. (statt: auf dem … )
    â€“ Wir befinden uns jetzt in den zweiten Vorlauf über 200 Meter der Männer. (statt: in dem … )
    â€“ Nach den Bericht der zuständigen Kommission …
    â€“ Wir werden Sie jederzeit auf den Laufenden halten. [ 8 ]
    Die durch den shift zum ‹Akkusativ› erzeugte Vagheit im Kasusgebrauch strahlt auch auf andere Kategorien aus: Satzteile wie mit unseren Nachbar, von unseren Gegner oder auf den letzten Betriebstreffen , die überall gang und gäbe sind, verbinden Präposition und falschen Kasus so, dass noch eine zweite Vagheitsstelle entsteht, wie oben bei der Form seinen Richter : Ohne Kontext und ohne Anhaltspunkte über ‹das Gemeinte› kann niemand mehr sicher entscheiden, ob hier Singular ( mit meinem Nachbarn ) oder Plural ( mit meinen Nachbarn ) vorliegt.
Gegentendenzen? Eine Pseudo-Renaissance des Dativs
    Auch der sich zurückziehende Dativ erfährt von mehreren Seiten eine Wiederauflage, sozusagen wider Willen und gegen den Trend. Es gibt also auch hier eine ziemlich starke Gegentendenz und beinahe sieht es so aus, als ob solche Gegentendenzen quasi notwendig seien, um die primären Tendenzen des Sprachwandels abzupuffern. Die Vertauschung von ORT und RICHTUNG, das ‹Spielen› und gegenseitige Austauschen von Akkusativ- und Dativformen beschert dem alten Dativ ein unverhofftes Wiedererscheinen auf bereits verlorenem Terrain, nämlich als neue Formen, die oft einen korrekten Akkusativ ersetzen. Der Dativ kann also auch den Akkusativ ‹vertreten›, der in diesen Fällen nicht gesetzt werden soll . Wir haben eine Art Pseudo-Dativ, der sich unerlaubt auf den Platz des Akkusativs setzt: ein weiterer Fall von Kasus-Mimikry. Dies sind die Beispiele:
    â€“ Die Bedingungen sind jetzt besonders günstig, einen Hai gezielt auf dieser Art anzulocken. (statt: auf diese Art )
    â€“ Er hatte es geschafft, das Thema wieder im Zentrum der Öffentlichkeit zu rücken. (statt: ins Zentrum der Öffentlichkeit )
    â€“ Die 400-Meter-Läufer biegen einer nach dem anderen auf der Zielgerade ein. (statt: auf die Zielgerade )
    â€“ Regierungsvertreter und Wirtschaftsfachleute fahren nächste Woche auf einem bedeutenden Finanzgipfel . (statt: auf einen bedeutenden Finanzgipfel )
    â€“ Er lockte den Hai näher an seinem Käfig .
    Dies ist der Fall ORT für RICHTUNG, also ‹UBI für QUO›. Wir vermuten, dass es triftige Gründe gibt, den Ort statt der Richtung zu bezeichnen, z.B. Ökonomie: ORT ist einfacher und geht schneller als RICHTUNG. ORT ist viel leichter identifizierbar, besser überschaubar und leichter zu behalten als der ganze, womöglich umständliche oder langwierige Weg dorthin. Deshalb kann man in vielen Umgangssprachen beobachten, dass einfachheitshalber Ort gewählt wird, wo die Schriftsprache eigentlich Richtung fordert. Der ganze Rest wird dem Kontext, dem gesunden Menschenverstand und der Kombination überlassen.
    In den Balkansprachen hat sich dieser Typ bis heute erhalten, und es ist wahrscheinlich, dass das balkanische Migrantendeutschhier ordentlich hineinwirkt. Man sagt wo gehst du statt wohin gehst du :
    serbisch gde ideÅ¡ ? ‹wo gehst du› = ‹wo gehst du hin?›,
    griechisch pou tha pas ? ‹Wo wirst du gehen?› = ‹Wo willst du hin?›,
    auch persisch befarmājÄ«d indžā ‹Kommen Sie bitte hier › = ‹Kommen Sie bitte hierher!›
    Und das Englische wirkt sicher unterstützend: Where are you going ?
    Im Deutschen ist das ein starker ‹Migrantismus›: So gut wie alle Migranten mit doppelter Anderssprachigkeit gebrauchen den neuen deutschen Typus Ich geh schnell noch auf dem Amt . (Wie übrigens auch andersherum den alternierenden Typus: Ich war noch schnell auf den Amt ). Auf Kos (Griechenland) las ich im Hotelcafé diesen Hinweis:
    BITTE DIE GÄSTE DIE GLÄSER NICHT MIT AUF DEM ZIMMER ZU NEHMEN (griechisch Dativ: sto domátio ‹im/aufs Zimmer› für ORT und RICHTUNG).
    Das Wiederaufscheinen des Dativs in diesen Fällen wirkt sich in der deutschen Umgangssprache
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