Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Hinrichs
Vom Netzwerk:
Sprache al-luġa ăl-‘arabīya ‹die arabische Sprache› oder kurz al-‘arabīya ‹das Arabische›.[ 10 ] Überall spricht man von der sprachlichen Zweiteilung des arabischen Raums (‹Diglossie›), wo eine alte monumentale Hochsprache den gesprochenen ‹Volksdialekten› gegenüberstehe. Es handelt sich in Wirklichkeit um eine Dreiteilung des Sprachkörpers, wenn man will: eine Triglossie ; denn da ist
    Â 
    Â Â 1. das alte ehrwürdige, monumentale Althocharabisch aus dem 8. Jahrhundert: Die heilige Sprache des Korans, God’s Own Word; unwandelbar, überwölbt es wie ein felsgewordenes Monument bis heute die arabische Welt;
    Â Â 2. das moderne Hocharabisch, das sich zwar an 1. orientiert, sich aber durch die Zeit weiterentwickelt hat, neue Lexik aufnimmt und auch von außen beeinflusst wird. Es ist die Sprache von Akademie und Kunst, von Literatur, Medien und Wissenschaften und nimmt im Zeitalter der Globalisierung immer mehr die Konturen einer neuen flexiblen Lingua Franca unter den arabischen Völkern an;
    Â Â 3. die arabischen gesprochenen Volkssprachen, oft als ‹Dialekte› herabgesetzt, ohne besonderes Prestige, ohne eigene Literaturen – aber die Sprachen aller Völker und Kulturen von Marokko bis Saudi-Arabien sowie in Europa.
    Alle arabischen Länder, alle Araber verbindet das Hocharabische im Sinne von (2.), obwohl es nirgendwo wirklich nach einer allgemein-verbindlichen Norm gesprochen wird. Es hat aber seine Wurzeln im Althocharabisch des 7. und 8. Jahrhunderts (1.), der Sprache des Korans und der Dichtung, die sich aus dem Zentrum derarabischen Halbinsel, dem Hedschas , im Zuge der islamischen Eroberungen über den ganzen Vorderen Orient verbreitete. Der Kalif ‘Abd al-Malik erhob in den 90er Jahren des 7. Jahrhunderts diese Form des Arabischen zur offiziellen Verwaltungssprache des islamischen Reiches. Diese altehrwürdige hocharabische Sprachform wird aufgrund ihrer relativen Unbeweglichkeit als solche nicht wirklich gesprochen – zumindest nicht so, wie z.B. das Deutsche oder das Polnische gesprochen werden. Allenfalls wird es in Koran-Rezitationen in Moschee oder Unterricht zelebriert – etwa wie das Altkirchenslavische in der Orthodoxen Kirche. Die hohe Sprachform hat aber ihren festen Platz im Kulturbewusstsein aller Araber und verbindet alle Mitglieder der arabischen Nation als ethnisches und übernationales Symbol (‹Panarabismus›).
    Man darf nicht vergessen, dass für alle Muslime das alte Hocharabisch des Korans so etwas ist wie Schrift gewordenes Gotteswort, und deshalb ist es im Prinzip unveränderlich – erhaben wie eine gewaltige Moschee, hart und unerbittlich wie eine diamantene Felswand. Der in Jerusalem und Leipzig wirkende Historiker Dan Diner hat hier das Bild von der ‹versiegelten Zeit› entworfen, in der natürlich auch die Sprache angesiedelt ist. Die lebendigen Volkssprachen haben sich dagegen im Horizont der Zeit immer weiter von ihrem historischen Hintergrund entfernt, und die Schere geht, im Bunde mit der geographischen Entfernung zwischen den Ländern, immer weiter auseinander. Heute gibt es eine Vielzahl von arabischen Volkssprachen, z.B. die marokkanische Umgangssprache oder das ägyptische Arabisch, die zum Teil untereinander erhebliche Unterschiede aufweisen – ja es kann durchaus vorkommen, dass sich zwischen einem Marokkaner und einem Jemeniten Verstehensschwierigkeiten auftun. Eine weitere Folge dieser Entwicklung ist, dass die Beherrschung des Volksarabischen, sagen wir in Marokko, für das Verständnis des Korans oft schon nicht mehr ausreicht und deshalb in den Koranschulen zugelernt werden muss (vielleicht so, wie ein Bayer Hochdeutsch zulernen muss).
    In allerneuester Zeit gewinnt das gesprochene Hocharabische (2.) mächtig an Raum. An dieser Entwicklung maßgeblich beteiligt sind das Internet, der ‹arabische Frühling› und die panarabischen Satellitensender, z.B. al-Dzhazira in Katar. Dort gibt eslebendige Diskussionen von Sprechern aus allen Teilen der arabischen Welt, und diese bemühen sich, eine verbindliche, dem Hocharabischen nahe kommende Sprache zu gebrauchen. Strenges Hocharabisch ( fuṣḥā ) ist die Sprachebene allerdings mittlerweile auch nicht mehr; vielmehr bewegt sie sich zwischen Hocharabisch und Dialekt (sogenannte ‹mittlere Sprache›; wenn man will:

Weitere Kostenlose Bücher