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Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Hinrichs
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als ‹typisch arabisch› auffassen. Arabische Sprecher haben diese emphatische Phonetik übrigens inssogenannte Kiezdeutsch übertragen, das von einer eigentümlich gepressten Satzmelodie geprägt ist (Abschnitt 20). Die arabischen Vokale sind dagegen unauffällig, nur dass i, u und a kurz oder lang sein können – ein Zug, den das Arabische mit dem Deutschen teilt.
Ein Mysterium: die arabische Schrift
    Es würde zu weit führen, würden wir hier leichtfertigerweise versuchen, die arabische Schrift auch nur ansatzweise zu erläutern. Sie ist aber ein zentrales Merkmal und tief in der arabischen Mentalität und Religiosität verwurzelt: das sichtbare Symbol des arabischen Selbstbewusstseins. Wir beschränken uns auf einige wesentliche Züge und schreiben arabische Wörter in lateinischer Umschrift. Die arabische Schrift geht von rechts nach links. Das wirklich Komplizierte an ihr ist, dass die Buchstaben für die über dreißig Laute immer verschieden geschrieben werden, je nachdem, an welcher Position sie im Wort vorkommen. Alle vier Varianten (isoliert; Ende, Mitte, Anfang des Wortes) müssen gelernt werden. Und ein zweites Handicap: Kurze Vokale werden nicht mitgeschrieben:[ 11 ] Krz Vkal wrdn ncht mtgschribn . So können ganze Wörter, wie z.B. Damaskus , geschrieben nur aus Konsonanten bestehen: DMÅ Q = DimaÅ¡q ‹Damaskus› oder TTKLLM = tatakallam ‹Sie sprechen›. Dies bedeutet praktisch, dass man das Arabische mündlich schon kennen und beherrschen muss, wenn man es flüssig lesen will, und zweitens: dass zwischen Schriftarabisch und Sprecharabisch eine große Schere klafft.
    Im Straßenbild von Stadtteilen wie Neukölln kann man bereits davon reden, dass sich die arabische Schrift langsam ihren Platz auch in der Optik des Viertels erobert. Der Germanist Volker Hinnenkamp nennt dies «visualisierte Mehrsprachigkeit» – ein Szenario, das in Deutschland noch gewöhnungsbedürftig, in Ländern wie Indien, in denen sogar drei Schriften konkurrieren, aber ganz normal ist. Heute werden außer den arabischen Volkssprachen nur noch eine Handvoll Sprachen mit der arabischen Schrift geschrieben, darunter auch die Migrantensprachen Persisch und Kurdisch.
    Das Prinzip, in der Schrift Vokale einfach wegzulassen, erklärt sich aus dem Bau der Wörter: Das arabische Grundwort besteht in der Regel aus einer Wurzel mit drei Konsonanten, die in allenAbleitungen im Prinzip gleich bleiben. So heißt K T B ‹schreiben›, S F R ‹reisen›, D H B ‹gehen›. Nur die Wurzel gilt es in den Wörtern wiederzuerkennen, alles weitere ergibt sich aus dem Vorwissen, dem Text oder der Situation. Diese Wurzel wird durch Vokale und Umstellungen vielfach abgewandelt, deshalb spricht man von ‹innerer Flexion› oder ‹Wurzelflexion›. Sie kommt als Technik auch im Englischen ( write : wrote ) und im Deutschen ( schreiben : schrieb ) vor. Ganze arabische Wortnester sind so aufgebaut. Beliebtes Vorführ-Beispiel ist SCHREIB-, arabisch K T B: k i t ā b ‹Buch›; kutub ‹Bücher›; kātib ‹Schriftsteller›, maktāb ‹Büro›, aktubu ‹ich schreibe›, yaktubu ‹sie schreiben›, kataba ‹er schrieb›, maktÅ«b ‹das Geschriebene› usw.
    Durch diese zwei Prinzipien, ‹innere Flexion› ( kitāb – kutub ) und ‹Affigierung› (Silbe vorn: ma ktāb ‹Büro›, Silbe hinten: katab tu ‹ ich schrieb ›), ist eine einfache Wurzel unendlich wandelbar und kann ein ganzes Wortfeld bedienen. Diese Methode ist zugleich ökonomisch (für Muttersprachler), aber auch schwierig (für Arabischlerner) – zumal dann, wenn die Vokale im gesprochenen Arabisch auch noch ihre Färbung wechseln können oder die Silben auch schon mal verschluckt werden, z.B. am Wortende.
Der Bau der Wörter
    Das klassische Arabische verwendet Präpositionen und (drei) einfache Kasus, was erst einmal an das Deutsche erinnert. Es ist damit von vornherein – das mag viele überraschen – ‹europäischer› als z.B. das Türkische, was für den Kontakt mit dem Deutschen nicht unwichtig sein kann. Erleichternd ist für den Schriftsprachenlerner sicher, dass die Präpositionen alle immer mit demselben Kasus stehen, nämlich mit dem Genitiv: fÄ«-l zaman Ä« ‹in der Zeit›.

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