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Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Hinrichs
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Albanien – wie in vielen kleinen Ländern – legt man höchsten Wert auf eine große Erzählung: Danach sei das Albanische der direkte Erbe der illyrischen Sprache, eine der frühesten Sprachen auf dem alten Balkan, irgendwo zwischen Dalmatien und Griechenland. Deshalb behaupten viele Albaner, ihre Sprache sei die älteste in der Region und das uralte Volk der Albaner habe schon immer dort gewohnt, wo es heute siedelt. Andere sind der Meinung, dass die Albaner erst irgendwann später in ihre Gebiete eingewandert sind, aus dem Norden oder Westen. Beide Theorien sind natürlich unbeweisbar, haben aber ihre immense (sprach)politische Bedeutung bis heute behalten.
    Genaues weiß man nicht: Das Albanische taucht erst im 16. Jahrhundert, also ziemlich spät, auf dem Horizont der Geschichte auf, und zu diesem Zeitpunkt hatte es im Prinzip sein heutiges Aussehen schon fertig ausgebildet. Die Albaner haben erst sehr spät zu einer eigenen Nation gefunden, nämlich nach dem Ende der türkischen Herrschaft, im Jahre 1912. Zu dieser Zeit gab es noch keine albanische Standardsprache, und der Weg dorthin dauerte noch weitere sechzig Jahre (bis 1972). Standard-Albanisch ist also eine späte Bildung und eine der jüngsten Schriftsprachen in Europa. Seinen Weg dorthin fassen wir kurz zusammen (s. Tornow 2010, 205–212):
    Die Albaner leben seit jeher in Stammesgesellschaften, jedoch ohne übergreifendes Zusammengehörigkeitsgefühl oder städtischen Mittelpunkt, aber mit wechselnden Kontakten zur muslimischen, griechischen und italienischen Kultur. «Die orientalische Epoche der Albaner ging 1878 mit dem Frieden von San Stefano und dem Berliner Kongress zuende (…). Das Jahr 1878 gilt als Beginn der ‹Nationalen Wiedergeburt›, (…) die mit der Souveränität Albaniens 1912 abgeschlossen ist.»
    Erst in den 1950er Jahren wurde das Projekt einer Vereinheitlichten Albanischen Standardsprache wirklich vorangetrieben. Der ‹Orthographie-Kongress› von Tirana 1972, an dem albanische Delegierte aus Albanien, dem Kosovo, Makedonien, Montenegro und Italien teilnahmen, legte die Schriftsprache in all ihren Aspekten fest und gab die Entwicklung der nächsten Jahrzehnte vor. Als überdachender Standard wurde die neue Norm, die auf dem südlichen toskischen Dialekt beruht, auch im Kosovo übernommen, obwohl das gesprochene Umgangs-Albanisch dort bis heute gegisch ist: «Standard Albanian is now able to respond to all the needs and demands of social, economic, political, cultural, artistic and intellectual life.» (Lloshi 1999, 295) All dies bestimmt das Sprach-, National- und Kulturbewusstsein der Albaner bis heute. So sind die wirtschaftlichen Bande der Auslandsalbaner nach Hause besonders eng, der Transfer von Ressourcen immens, die Familienbande innerhalb der Auslandsgemeinde geradezu identitätssichernd, die nationale Bedeutung der Sprache überaus hoch.
Eine kurze Grammatik des Albanischen
    Höreindruck und Schriftbild sind geprägt vom ë , einem dumpfen konturenlosen Vokal, etwa wie in deutsch Tasch e . Weil er praktisch in jedem Wort vorkommt, neigt er dazu, abgeschliffen oder ganz weggelassen zu werden. Dadurch werden viele albanische Wörter gekürzt und in großer Zahl zu Einsilbern, die man deutlich heraushören kann: mírë ‹gut›, pésë ‹fünf›, Tiránë ‹Tirana›, historínë ‹historisch›, aber auch të gjúhës ‹der Sprache›, vëllái ‹der Bruder› – sie alle klingen eher wie mir_, pes, Tiran, historin, t’ gjuhs, v’llai . Charakteristisch sind weiterhin wie in dy ‹zwei›, yll ‹Stern› und der erwähnte Nasalvokal der Migranten: bâ = [bõ] ‹ich mache›, nâna ‹die Mutter›.
    Es gibt eine Handvoll besonderer Buchstaben und besonderer Laute:
Laut/Buchstabe
Beispielwort
ç
wie tsch in deutsch Tscheche
çanta ‹Tasche›
dh
wie th in englisch this
dhjetë ‹zehn›
th
wie th in englisch think
them ‹ich sage›
gj
wie dj in deutsch Nadja
gjashtë ‹sechs›
ll
wie l im Kölschen
llambë ‹Lampe›
nj
wie gn in italienisch Lasagne
njeri ‹Mensch›
q
wie wie tj in deutsch Matjes
shqip ‹klar›
x
wie ds in englisch brands
lexoj ‹ich lese›
xh
wie dsch in deutsch Dschungel
Xhevat ‹Name›
z
wie s in

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