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Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Hinrichs
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dies ist das heiße Eisen. Man denke an neudeutsche Phänomene wie
    â€“ er muss sich eine Behandlung unterziehen; sie droht ihren Mann ; das darf man nicht unter dem Teppich kehren etc., in denen die Kasusschwankungen eine mächtige Wirkung entfalten. Hier deutet sich ein neues, noch vollkommen unbeackertes Forschungsfeld an, sozusagen ein Sprachenvergleich der Abweichungen vom Standard. In beiden Sprachen geht es klar um den Abbau von grammatischer Übereinstimmung im Sprachkontakt. Ein Kreis schließt sich , wie die Deutschen gern sagen.
    Wir halten fest:
    In allen migrantischen Varietäten des Türkisch-Deutschen tauchen viele Züge auf, die sich auch in aktuellen Sprachwandel-Tendenzen der deutschen Umgangssprache wiederfinden.
18. RUSSISCH-DEUTSCH: VOLKSDEUTSCHE, AUSSIEDLER, RUSSISCHE MIGRANTEN
Die Gruppen der Russen in Deutschland
    Seit den 1990er Jahren nimmt in Deutschland eine Entwicklung Fahrt auf, die die russische Auslandsgemeinde zahlenmäßig an die türkische herangeführt hat. Einige Statistiken sagen sogar, dass dierussischsprachige Bevölkerung in Deutschland mittlerweile 4 Millionen überschreitet und damit die türkischsprachige bereits überflügelt hat. Russisch ist also eine der größten, wenn nicht vielleicht schon die größte Migrantensprache. Dass man dies nicht genau auf Punkt und Komma beziffern kann, liegt daran, dass viele russischsprachige Menschen unter anderen Nationalitäten (Deutsch, Kasachisch, Jüdisch, Litauisch, Weißrussisch u.a.) geführt werden, sodass nicht deutlich herauskommen kann, dass es sich immer um Russisch sprachige handelt. Denn Russisch hat auch Jahrzehnte nach dem Ende der Sowjetunion noch immer den Status einer Quasi-Muttersprache oder den einer östlichen Lingua Franca. Und in fast allen ehemaligen Staaten der Union hat Russisch noch immer einen herausragenden Status.
Russisch-Deutsch: Codeswitching und Grammatik
    Wie sehr das Deutsche mit Migrantensprachen interagiert, Mischungen eingeht, Einfluss ausübt und selbst wieder Beeinflussungen ausgesetzt ist, kann man am besten am Russisch der zweiten und dritten Generation in Deutschland studieren. Alexandra Goldbach hat die Überschneidungen mit dem Deutschen in der Rede russischer Studenten in Berlin untersucht und sie linguistisch analysiert. Wie für alle Migrantensprachen ist auch das Codeswitching RussischDeutschRussisch für das Migrantenrussisch typisch.
    Jene Migrantenvarietät, die Slavistinnen wie Katharina Meng und Ekaterina Protassova witzigerweise ‹Aussiedlerisch› nennen, ist ein interessanter Fall des Codeswitching: Sie ist keine Kreation irgendwelcher Außenseitergruppen, sondern ein Versuch von Russlanddeutschen der jungen Erwachsenengeneration, sich dem Deutschen der Mehrheitsgesellschaft möglichst schmerzfrei zu nähern. Aussiedlerisch hat bei seinen Sprechern selbst zwar eine niedrige Reputation und wird in formellen Situationen vermieden (so auf direktes Befragen; hier mag das Beobachter-Paradox wirken). Trotzdem ist es nach Angaben von Russlanddeutschen für sie eine dritte Sprache neben Russisch und Deutsch.
Codeswitching von Wörtern
    Das Russisch-Deutsch erzeugt zunächst massenhaftes Wort-Switching, um neue Sachverhalte und neue Situationen zu bezeichnen( vzjat’ kogo fest na rabotu ‹jemanden unbefristet übernehmen›), neue ‹deutsche› Situationen zu erfassen, unpassende russische Ausdrücke wie otpusk zu umgehen ( Urlaub ), lexikalische Lücken zu füllen ( Versicherung ), saftig zu formulieren, entspannt zu reden, das Gelernte ‹vorzuzeigen› und schließlich eine ‹Geheimsprache› für private Kommunikationszwecke zu kreieren – ohne gleich ganz ins kalte Wasser des Hochdeutschen springen zu müssen. Lexikalische Übernahmen auf der Wortebene sind im russischen Codeswitching Legion; Goldbach (2005) dekliniert sie in einem kleinen Lexikon durch. Wie überall kommen sie aus dem Alltag der Informanten: Schule, Uni, Behörden, Technik, Ärzte, Verwandtschaft etc. Da die Informanten unter sich sprechen, ist hier die Matrixsprache durchweg Russisch, die embedded language das Deutsche.
    â€“ Stranno, čto ne polučaem abrechnungscettel’ , nu ne napisano skol’ko tam rentenverzicherung . ‹Komisch, dass wir keinen Abrechungszettel kriegen, aber es steht da nicht, wieviel Rentenversicherung es gibt.›
    â€“ Ėto

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