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Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert

Titel: Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Hinrichs
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‹ warum›? Ich habs verdient. Öyle şey sorulur mu; senki kendin kendine zweifeln yapıyormuş . ‹Wieso warum? Ich habs verdient. Fragt man denn so etwas? Als ob du an dir selbst zweifeln würdest.›
Die «Europatürken»
    Diese Gruppe bildet den am meisten durch Bildung, Sprache und Prestige privilegierten Teil der türkischen community . Die Europatürken «definieren sich als gebildete, europäisch orientierte Türken und setzen sich für eine positive Darstellung der Türkei in Europa ein. (…) Sie (…) gehören zu den national und international erfolgreichen Migranten der 2. Generation. Sie bilden eine europaweit organisierte Vereinigung angehender bzw. schon berufstätiger Jungakademiker, die sich Anfang der 90er Jahre gebildet hat, in insgesamt acht europäischen Ländern vertreten ist und circa 800 Mitglieder hat. Ein zentrales Charakteristikumder ‹Europatürken› ist die Pflege der türkischen Sprache. In verschiedenen Universitätsstädten europäischer Länder sind lokale Gruppen angesiedelt, die in regelmäßigem Austausch untereinander stehen.» (Aslan 2005)
    Wichtig ist, dass die meisten Europatürken, wie auch die Powergirls, Ghettoerfahrung haben und aus ‹Gastarbeiterfamilien› kommen; ein anderer Teil ist später aus der Türkei nach Deutschland zum Studium oder zur Promotion gekommen. Alle sind aufstiegsorientiert, besinnen sich aber auf ihre ethnischen Wurzeln in der Türkei. Geeint werden sie durch gemeinsame Feindbilder, die zum großen Teil in ihren eigenen Eltern oder ihren Zeitgenossen verkörpert sind; sie sind so etwas wie ‹1990 er›: Denn sie «gehen gegen das Stereotyp des ungebildeten, sprachlich unbeholfenen türkischen Gastarbeiters und des unterprivilegierten «Ghettojugendlichen» vor, indem sie durch eigene berufliche und soziale Erfolge das Bild des sprachlich versierten, kultivierten, weltgewandten Europäers türkischer Herkunft etablieren wollen». Daher ihre Eigenbezeichnung «Europatürken». Damit distanzieren sie sich scharf von den erwähnten türkischen Symbolfiguren wie Zaimoğlu oder Akın oder auch von dem Komödianten Yanar Kaya, die sie für eine latente antitürkische Grundhaltung in Deutschland letztlich mitverantwortlich machen. Die Europatürken stehen klar auf der Europa zugewandten Seite der türkischen Meinungsbildung, treten für eine baldige EU-Mitgliedschaft der Türkei ein und versuchen, dies durch ein feindifferenziertes Bild der Türken zu signalisieren. Sie sind aktiv orientiert: Die Türken selber müssten dafür sorgen, so ihre Meinung, dass sich die Einstellungen in Deutschland ändern.
    Dem entspricht ihre Strategie, die von der Imagepflege und einer ökonomischen Marktorientierung geprägt ist. Sowohl die soziale Situation der Eltern wie auch die eigene Biographie wird frisiert und ist von einer neuen Correctness geprägt, die alte Ressentiments gar nicht erst aufkommen lassen soll. Stolz sind sie, wenn sie von anderen nicht gleich für Türken, sondern vielleicht für Deutsche, Franzosen oder Engländer gehalten werden. Diesem Ziel gelten auch gezierte Höflichkeitsfloskeln untereinander – oft sind es orientalische Sprechgirlanden, die das elitäre Wir-Gefühl stärken und die Europatürken von anderen Gruppenabgrenzen sollen: süzünü kestim pardon ‹entschuldige, ich hab dich unterbrochen›, çok üzgünüm ‹ich bin sehr traurig›, ay ne ilginç! ‹interessant na?›.
‹Europatürkisch›
    Europatürken sprechen untereinander konsequent hochsprachliches Türkei-Türkisch – kein Deutsch. Das unterscheidet sie fundamental von den ‹Unmündigen›. CS ist im Prinzip nicht vorgesehen, auch kein lokales Deutschtürkisch: Die Sprachenwahl ist Teil des Weltbildes. Alles Alltagssprachliche wie Interjektionen, Schimpfwörter, Vulgärlexik (was sie allzu leicht in die Nähe von Ghettotürken rücken könnte) ist streng tabu. Dabei werden die Europatürken zuweilen türkischer als ihr eigener Ministerpräsident und können in ein archaisches Supertürkisch verfallen oder zurückfallen. Angesichts der Blessuren, die das ‹Deutschland-Türkisch› ihrer Landsleute in Deutschland schon erlitten hat, wollen sich die Europatürken wieder auf eine

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