Mummenschanz
betrifft… Nun, es scheint alles vorbei zu sein, nicht wahr? Ja. Äh… die Oper… ist zu Ende…«
»Walter Plinge!«
Nanny Ogg näherte sich und stützte Frau Plinge, die einen besorgten Blick auf ihren Sohn richtete. »Bist du ein böser Junge gewesen?«
Herr Eimer trat zu der alten Frau und klopfte ihr auf die Hand. »Du solltest mich besser zu meinem Büro begleiten«, sagte er und reichte André das Manuskript, der es an einer vom Zufall bestimmten Stelle aufschlug.
Der junge Mann las eine kurze Passage und staunte. »He, das ist gut «, meinte er.
»Ja?«
André blätterte zu einer anderen Seite. »Meine Güte!«
»Was ist? Was ist?« fragte Eimer.
»Ich hätte nie gedacht… Ich meine, selbst mir ist klar… Tamm-ti-TAMM Tamm-tamm… ja… Herr Eimer, weißt du eigentlich, daß dies keine Oper ist? Es gibt Musik… ja… und auch Gesang und Tanz, aber es ist trotzdem keine Oper. Ganz und gar nicht. Ich meine, dies könnte kaum weniger mit einer Oper zu tun haben.«
»Soll das heißen…« Eimer zögerte und genoß die Idee. »Soll das heißen, daß man Musik hineinsteckt und… Geld herausbekommt?«
André summte einige Takte. »Das könnte durchaus der Fall sein, Herr Eimer.«
Der Opernhausbesitzer strahlte. Er legte André den einen Arm um die Schultern und Walter den anderen. »Gut!!!!!« sagte er. »Das muß mit einem sehr großen… mit einem mittelgroßen Drink gefeiert werden!!!!!«
Die Chorsänger traten einzeln oder in kleinen Gruppen von der Bühne herunter. Schließlich blieben nur die Hexen und Agnes übrig.
»Ist damit alles vorbei?« fragte Agnes.
»Noch nicht ganz«, erwiderte Oma.
Jemand taumelte am Vorhang vorbei. Den Verband um seinen Kopf verdankte Enrico Basilica einer freundlichen Hand, eine andere freundliche Hand hatte ihm einen Teller mit Spaghetti gegeben. Der Tenor schien sich noch immer nicht ganz erholt zu haben. Er sah die Hexen an, blinzelte und sprach wie jemand, der von den jüngsten Ereignissen nichts wußte und sich an ältere Erinnerungen festklammerte.
»Jemand hat mir Schpagetti gegeben«, sagte er.
»Wie nett«, kommentierte Nanny.
»Ha! Schpagetti sind gut für Leute, die sie mögen – aber nicht für mich! Ha! Ha!« Er drehte den Kopf und blickte benommen in die Dunkelheit des Zuschauersaals.
»Wißt ihr, was ich jetzt mache? Wißt ihr, was ich jetzt mache? Ich verabschiede mich von Enrico Basilica! Jawohl! Er hat seinen letzten Tintenfischtentakel gekaut! Ich gehe jetzt nach draußen und genehmige mir acht Halbe von Turbots wirklich seltsamem Bier! Ja! Und vielleicht esse ich auch ein heißes Würstchen! Und dann gehe ich zum Varieté und höre mir an, wie Nellie Stempel ›Eine Schnecke nützt nichts, wenn man keine Nadel hat‹ trilliert. Und sollte ich hier noch einmal singen, so nur unter dem stolzen Namen Henry Faul, ist das klar…?«
Irgendwo im Publikum erklang ein Schrei. »Henry Faul?«
»Äh… ja?«
»Ich dachte mir, daß du es bist! Du hast jetzt einen Bart und dir einen Heuhaufen unters Hemd gesteckt, aber ich war fast sicher, daß sich unter dieser Maske mein alter Henry verbirgt!«
Henry Faul schirmte sich die Augen vor dem hellen Rampenlicht ab.
»Angeline?«
»O nein!« stöhnte Agnes. »In der Wirklichkeit geschieht so etwas nie !«
»Im Theater passiert das ständig«, meinte Nanny Ogg.
»Stimmt«, pflichtete ihr Oma bei. »Wir können von Glück sagen, daß er keinen seit langer Zeit verschollenen Zwillingsbruder hat.«
Unter den Zuschauern wurde es unruhig. Jemand kletterte durch eine lange Reihe und zog noch jemanden hinter sich her.
»Mutter!« tönte eine Stimme aus der Düsternis. »Was hast du vor?«
»Komm mit mir, junger Henry!«
»Wir können nicht auf die Bühne, Mutter…!«
Henry Faul warf den Spaghettiteller wie ein Frisbee in die Kulissen, trat zur Orchestergrube und schob sich mit der Hilfe von zwei Violinisten über ihren Rand.
Sie trafen sich bei der ersten Sitzreihe. Agnes hörte ihre Stimmen.
»Ich wollte zurückkehren. Das weißt du!«
»Und ich wollte warten. Aber dann kam eins zum anderen, insbesondere zum anderen. Komm her, junger Henry…«
»Was ist hier eigentlich los, Mutter?«
»Sohn… ich habe dir doch gesagt, dein Vater sei Herr Gesetzlich, der Aaljongleur…«
»Ja…«
»Bitte begleitet mich beide in meine Garderobe. Ich glaube, wir haben eine Menge zu besprechen.«
»Oh, ja. Eine Menge…«
Agnes sah ihnen nach. Das Publikum klatschte – es erkannte eine Oper selbst
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