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Mummenschanz

Mummenschanz

Titel: Mummenschanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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dann, wenn sie nicht gesungen wurde.
    »Na schön«, sagte sie. »Ist es jetzt vorbei?«
    »Fast«, erwiderte Oma.
    »Habt ihr irgend etwas mit den Köpfen der Leute angestellt?«
    »Nein, aber ich hätte Lust, einige gegeneinanderzuknallen«, sagte Nanny.
    »Niemand hat ›Danke!‹ oder so gesagt!«
    »Das ist oft der Fall«, murmelte Oma.
    »Sind viel zu sehr damit beschäftigt, an die nächste Aufführung zu denken«, spekulierte Nanny. »Die Show muß weitergehen«, fügte sie hinzu.
    »Das ist doch… Wahnsinn!«
    »Es ist die Oper«, sagte Nanny. »Selbst Herr Eimer hat sich angesteckt. Und wenn ich mich nicht irre, wurde der junge André vor dem Schicksal bewahrt, weiterhin Polizist zu sein.«
    »Und was ist mit mir?«
    »Oh, wer für den guten Schluß sorgt, wird meistens nicht daran beteiligt«, sagte Oma und strich ein imaginäres Staubkorn von ihrer Schulter.
    »Wir sollten jetzt besser gehen, Gytha«, fuhr sie fort und kehrte Agnes den Rücken zu. »Wir brechen morgen früh auf.«
    Nanny trat vor, schirmte sich wie eben Henry Faul die Augen ab und spähte in den dunklen Saal.
    »Die Zuschauer sind nicht gegangen«, stellte sie fest. »Sie hocken immer noch da.«
    Oma blieb neben ihr stehen und sah ebenfalls in die Schwärze. »Worauf warten die Leute denn? Er hat doch gesagt, daß die Oper beendet ist…«
    Sie drehten sich um und sahen zu Agnes, die in der Bühnenmitte stand und wütend ins Nichts starrte.
    »Bist du ein wenig zornig?« fragte Nanny. »Unter den gegebenen Umständen durchaus verständlich.«
    »Ja!«
    »Du hast den Eindruck, daß alles für andere Leute geschehen ist und nicht für dich?«
    »Ja!«
    »Sieh die Sache einmal so«, sagte Oma. »Was hat Christine vor sich? Sie wird eine Sängerin und steckt in einer kleinen Welt fest. Vielleicht lernt sie, gut genug zu singen, um ein wenig Ruhm zu erringen. Doch eines Tages versagt ihre Stimme, und dann ist ihr Leben zu Ende. Du hast die Wahl. Du kannst die Bühne wählen und zu einer Künstlerin werden, die sich streng an ihren Text halten muß. Oder du kannst außerhalb davon stehen, das ganze Manuskript kennen und wissen, wo sich die Kulissen, Falltüren und so weiter befinden. Ist das nicht besser?«
    »Nein!«
    Später dachte Agnes: Was einen bei Oma Wetterwachs und Nanny Ogg so sehr in Rage bringen konnte, war der Umstand, daß sie häufig gemeinsam agierten, ohne sich dabei absprechen zu müssen. Natürlich gab es noch viele andere Dinge. So glaubten die beiden Hexen zum Beispiel, daß von Einmischung und dergleichen keine Rede sein konnte, wenn sie selbst entsprechend aktiv wurden. Sie gingen automatisch davon aus, daß die Angelegenheiten anderer Leute auch sie selbst betrafen. Ihr Lebensweg bestand praktisch aus einer geraden Linie, und wenn sie es mit einer neuen Situation zu tun bekamen, begannen sie sofort damit, alles zu verändern. Im Vergleich dazu war eine gemeinsame Strategie, die keine besonderen Vereinbarungen erforderte, nur ein kleines Ärgernis, doch es existierte hier und jetzt.
    Oma und Nanny näherten sich Agnes. Und beide legten ihr eine Hand auf die Schulter.
    »Bist du sauer?« fragte Oma.
    »Ja!«
    »An deiner Stelle würde ich die Wut herauslassen«, meinte Nanny.
    Agnes schloß die Augen, ballte die Fäuste, öffnete den Mund und schrie.
    Es begann mit einem tiefen Ton. Staub rieselte von der Decke, und die Prismen des Kronleuchters klirrten.
    Die Tonhöhe wuchs rasch durch die geheimnisvolle Grube bei vierzehn Hertz, in der das menschliche Bewußtsein vages Unbehagen gegenüber dem Universum und seinem Platz darin empfindet. Überall im Opernhaus vibrierten kleine Objekte, fielen von Regalen und zerbrachen auf dem Boden.
    Schnell ging es höher die Tonleiter hinauf, was unter anderem dazu führte, daß in der Orchestergrube alle Violinensaiten rissen.
    Aus dem Zittern der Prismen wurde ein lautes Klappern und Rasseln. In der Bar feuerten die Sektflaschen eine Korkensalve ab. Eis klirrte und splitterte in einem Kübel. In einer langen Reihe stehende Weingläser stimmten mit ein, bis ihre Konturen verschwammen und sie wie Distelwolle explodierten.
    Die Schwingungen und Echos bewirkten Seltsames. In der Garderobe Nummer drei schmolz Fettschminke. Spiegel zersprangen und füllten die Ballettschule mit Myriaden von gebrochenen Bildern.
    Staub wallte. Insekten fielen. Im Gestein des Opernhauses tanzten einige Sekunden lang winzige Quarzpartikel…
    Dann folgte Stille, nur unterbrochen von vereinzeltem Klirren oder

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