Mummenschanz
Melodien !!! Den ganzen Tag über sind sie einigermaßen vernünftige Menschen, doch wenn sie das Opernhaus betreten, geben sie ihre Intelligenz an der Tür ab…«
»Warum bist du nicht einfach gegangen?« fragte Agnes scharf. »Wenn du soviel Geld gestohlen hast und der Oper tatsächlich mit solcher Abscheu begegnest… Warum hast du Ankh-Morpork nicht verlassen, um woanders ein neues Leben zu beginnen?«
Salzella starrte sie an, während er weitertaumelte. Sein Mund öffnete und schloß sich mehrmals, als wäre er bemüht, unvertraute Worte zu formulieren.
»Verlassen?« wiederholte er. »Ankh-Morpork und die Oper verlassen ? Argh, argh, argh…«
Er fiel noch einmal auf die Dielen.
André stieß den Musikdirektor an. »Ist er jetzt tot?« fragte er.
»Wie kann er tot sein?« entfuhr es Agnes. »Meine Güte, seht ihr denn nicht…«
»Was mich noch mehr nervt«, sagte Salzella und schaffte es bis auf die Knie, »ist das in der Oper alle immer so lange!!!!!… brauchen!!!!!… um!!!!! zu!!!! argh… argh… argh…«
Er kippte zur Seite und blieb liegen.
Eine Zeitlang geschah nichts auf der Bühne. Die Zuschauer hielten kollektiv den Atem an.
Nanny Ogg berührte ihn mit der Stiefelspitze. »Ja, diesmal ist er wirklich hin. Hat gerade seinen letzten Auftritt hinter sich gebracht.«
»Aber Walter hat das Schwert doch gar nicht in ihn hineingestoßen«, sagte Agnes. »Warum hört denn niemand zu? Die Klinge steckt doch gar nicht in seinem Körper! Sie ist nur zwischen dem Arm und der Seite eingeklemmt, um Himmels willen!«
»Ja«, erwiderte Nanny. »Sehr bedauerlich, daß er das gar nicht bemerkt hat.« Sie rieb sich die Schulter. »Diese Ballettkleider kratzen.«
»Aber er ist tot!«
»Hat sich vielleicht zu sehr aufgeregt«, meinte Nanny und zupfte an einem Träger.
»Zu sehr aufgeregt?«
»Ist ganz außer sich geraten. Du kennst ja die Künstler. Gehörst jetzt zu ihnen, nicht wahr?«
»Er ist tatsächlich tot?« fragte Eimer.
»So scheint’s«, entgegnete Oma. »Bestimmt eine der besten opernhaften Sterbeszenen, nehme ich an.«
»Wie schrecklich!« Eimer packte den verstorbenen Salzella am Kragen und zog ihn hoch. »Wo ist mein Geld? Na komm schon, sag mir, was du mit meinem Geld angestellt hast!!! Ich höre nichts von dir!!!! Er sagt überhaupt nichts!!!«
»Weil er tot ist«, erklärte Oma Wetterwachs. »Tote sind normalerweise nicht sehr gesprächig.«
»Du bist eine Hexe!!! Kannst du nicht irgend etwas mit Karten und Glaskugeln bewirken?«
»Karten?« wiederholte Nanny. »Gute Idee. Wir könnten Poker spielen.«
»Das Geld ist im Keller«, sagte Oma. »Walter zeigt dir den Weg.«
Walter Plinge nahm Haltung an. »Natürlich, sehr gern.«
Eimer riß die Augen auf. Es war Walter Plinges Stimme, und sie kam aus Walter Plinges Mund, aber… Stimme und Mund beziehungsweise das Gesicht waren auf subtile Weise anders. Die Stimme hatte ihren unsicheren, ängstlichen Klang verloren, und das Gesicht wirkte nicht mehr leer.
»Meine Güte«, murmelte Eimer und ließ Salzellas Kragen los. Es pochte dumpf.
»Und da du einen neuen Musikdirektor brauchst…« sagte Oma. »Du könntest eine schlechtere Wahl treffen als Walter.«
»Walter?«
»Er weiß alles, was man über die Oper wissen kann«, sagte Oma. »Und übers Opernhaus.«
»Du solltest die Musik sehen, die er geschrieben hat…«, warf Nanny ein.
»Walter?« brachte Eimer hervor. »Musikdirektor?«
»… man kann richtig danach summen…«
»Ja, ich glaube, du wärst sehr überrascht«, sagte Oma Wetterwachs.
»In einem Lied geht es um Seeleute, die tanzen und singend klagen, daß keine Frauen in der Nähe sind…«
»Das ist doch Walter, oder?«
»… und ein anderes erzählt von einem Burschen namens Les, der sich die ganze Zeit miserabel fühlt…«
»Oh, ja, das ist Walter«, bestätigte Oma. »Die gleiche Person.«
»Und dann gibt es noch ein Stück über Katzen, die dauernd umherspringen und singen«, gluckste Nanny. »Ist sehr lustig. Frage mich, woher er die Idee dazu hatte…«
Eimer kratzte sich am Kinn. Seine Verwirrung verdichtete sich zu einem Nebel der Benommenheit.
»Und er ist vertrauenswürdig«, fuhr Oma fort. »Und ehrlich. Und er weiß alles übers Opernhaus, wie ich bereits sagte. Ich meine, wo die Dinge sind und so…«
Das genügte Eimer. »Möchtest du Musikdirektor werden, Walter?« fragte er.
»Ja, Herr Eimer«, erwiderte Walter Plinge. »Das würde mir sehr gefallen. Aber wer reinigt dann die
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