Mummenschanz
Besen? Seid ihr Hexen?«
»Ja. Sind die Fahrkarten für uns billiger?«
»Alte Tanten, die sich dauernd in die Angelegenheiten anderer Leute einmischen, müssen bei mir noch mehr bezahlen.«
Sägefein hatte das Gefühl, einen Teil des Gesprächs überhört zu haben, denn der weitere Wortwechsel klang so:
»Was hast du gesagt, junger Mann?«
»Zwei kostenlose Fahrkarten nach Ankh-Morpork, Gnädigste. Kein Problem.«
» In der Kutsche. Nicht auf ihr.«
»Natürlich, Gnädigste. Bitte entschuldige, ich knie hier nur im Schmutz, damit du einsteigen kannst, Gnädigste.«
Sägefein nickte zufrieden, als die Kutsche fortrollte. Es freute ihn, daß es noch Freundlichkeit und gute Manieren gab.
Unter erheblichen Schwierigkeiten und mit jeder Menge Geschrei wurde die Gestalt unter der hohen Decke aus dem Gewirr von Seilen befreit und wieder auf den Boden gebracht.
Farbe und Terpentin klebten an dem Mann. Das aus Angestellten und Probenschwänzern bestehende Publikum drängte näher.
Agnes kniete nieder, löste den Kragen des armen Burschen und versuchte, die Stricke um Arm und Hals zu lockern.
»Kennt ihn jemand?« fragte sie.
»Das ist Thomas Kripps«, sagte ein Musiker. »Er malt Kulissen.«
Thomas stöhnte und schlug die Augen auf.
»Ich habe ihn gesehen!« stieß er hervor. »Es war schrecklich!«
»Wen hast du gesehen?« fragte Agnes. Sie hatte plötzlich das Gefühl, sich in ein privates Gespräch eingemischt zu haben. Stimmen erklangen um sie herum.
»Giselle hat ihn in der letzten Woche gesehen!«
»Er ist hier!«
»Es passiert schon wieder?«
»Sind wir alle verloren ?!« quiekte Christine.
Thomas Kripps griff nach Agnes’ Arm.
»Er hat ein Gesicht wie der Tod!«
»Wer?«
»Der Geist!«
»Welcher Gei…«
»Es ist völlig weiß! Und ohne Nase! Sein Gesicht, meine ich.«
Zwei Ballettänzerinnen fielen in Ohnmacht, aber sehr vorsichtig, um sich nicht schmutzig zu machen.
»Wie kann er dann…«, begann Agnes.
» Ich habe ihn ebenfalls gesehen !«
Alle drehten sich um.
Ein älterer Mann schritt über die Bühne. Ein Klappzylinder ruhte auf seinem Kopf, und er trug einen Sack über der Schulter. Seine freie Hand blieb ständig in Bewegung und wies das Publikum mit unnötig ausladenden Gesten darauf hin, daß er Unheilvolles wußte und sich anschickte, alle Zuhörer vor Schreck erstarren zu lassen.
»Ich habe ihn gesehen! Oooooooh ja. Mit seinem schwarzen Umhang und dem weißen Gesicht, das keine Augen hat, nur zwei Löcher dort, wo sich Augen befinden sollten! Ooohhhh! Und…«
»Trägt er eine Maske?« fragte Agnes.
Der Alte zögerte und warf ihr einen finsteren Blick zu, den er für jene Leute reserviert hatte, die trotz interessanter Irrationalität auf Vernunft bestanden.
»Und er hatte keine Nase!« fuhr er fort, ohne Agnes Beachtung zu schenken.
»Darauf habe ich eben hingewiesen«, sagte Thomas Kripps verärgert. »Ja, ich habe diesen Aspekt des Geistes betont. Die Leute haben es eben erfahren, und zwar von mir.«
»Wenn er keine Nase hat, wie kann er dann rie…«, begann Agnes erneut, doch niemand hörte ihr zu.
»Hast du auch seine Augen erwähnt?« fragte der Alte.
»Darauf wollte ich gerade kommen«, sagte Thomas scharf. »Ja, er hatte Augen wie…«
»Sprechen wir hier von einer Maske oder nicht?« warf Agnes ein.
Diesmal erntete sie gleich mehrere vorwurfsvolle Blicke. Auf die gleiche Weise wird man von Ufologen angesehen, wenn man die Augen mit der Hand beschattet und sagt: »He, wenn man genau hinsieht, erkennt man, daß es nur ein Schwarm Gänse ist.«
Der Mann mit dem Sack hüstelte und faßte sich dann wieder. »Wie große Löcher sahen sie aus…« Er versuchte, seinen Worten Dramatik zu verleihen, aber die Stimmung war ruiniert. »Das habe ich gesehen. Und keine Nase, wenn ich noch einmal darauf hinweisen darf, herzlichen Dank.«
»Es ist der Geist!« hauchte ein Kulissenschieber.
»Er sprang hinter der Orgel hervor«, erzählte Thomas Kripps. »Im nächsten Augenblick hatte ich einen Strick um den Hals und hing mit dem Kopf nach unten!«
Die Leute blickten zu dem Mann mit dem Sack und hofften, daß er noch schrecklichere Dinge auf Lager hatte.
»Was geht hier vor?«
Eine beeindruckende Gestalt kam hinter den Kulissen hervor. Sie hatte wallendes, sorgfältig gekämmtes Haar. Es sollte aussehen, als läge ein längerer Aufenthalt im Freien hinter ihm. Doch seinem Gesicht fehlte das Lässige – es war eindeutig die Miene eines Organisators.
Der
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