Mummenschanz
daran roch.
»Blut!« heulte der Tischler.
»Es ist Blut, nicht wahr?« rief ein Musiker.
»Blut!!« kreischte Christine. »Blut!!«
Das schreckliche Schicksal von Agnes Nitt bestand darin, auch in kritischen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Sie schnupperte erneut an ihrem Finger.
»Es ist Terpentin«, sagte sie. »Tut mir leid. Stimmt was nicht?«
Unter der hohen Decke stöhnte die in Stricke eingewickelte Gestalt.
»Sollten wir ihn nicht herunterholen?« fragte Agnes.
Kando Sägefein war ein bescheidener Holzfäller. Seine Bescheidenheit basierte nicht etwa auf dem Umstand, daß er Holzfäller war. Selbst als Eigentümer von fünf Sägemühlen wäre er bescheiden gewesen. Die Bescheidenheit wurzelte in seinem Wesen.
Bescheiden stapelte er Holzscheite dort, wo der Weg nach Lancre von der Bergstraße abzweigte. Als er den Kopf hob, sah er, wie ein Bauernkarren anhielt und zwei ältere Frauen herunterkletterten. Beide trugen einen Besen in der einen und einen großen Beutel in der anderen Hand.
Sie stritten sich. Kein Streit, bei dem man die Stimme hob und sich anschrie, sondern ein chronischer Disput, der schon eine ganze Weile andauerte und vermutlich nicht vor Ende des aktuellen Jahrzehnts zu Ende gehen würde.
»Für dich mag ja alles bestens sein, aber es sind meine drei Dollar, und deshalb sollte ich auch bestimmen dürfen, auf welche Weise wir reisen.«
»Ich fliege gern.«
»Und ich sage dir, um diese Jahreszeit ist es auf einem Besen zu zugig, Esme. Der Wind erreicht Stellen, deren Namen ich nicht zu nennen wage.«
»Ach? Dann weiß ich überhaupt nicht, was du meinst.«
»Oh, Esme!«
»Komm mir nicht mit ›Oh, Esme‹. Ich habe mir nicht das amüsante Hochzeitsdessert mit speziellen Schwammfingern ausgedacht.«
»Wie dem auch sei: Greebo mag den Besen nicht. Er hat einen empfindlichen Magen.«
Sägefein bemerkte, daß sich in einem der Beutel etwas bewegte.
»Gytha, ich habe gesehen, wie er ein halbes Stinktier gefressen hat; so empfindlich kann sein Magen also nicht sein«, erwiderte Oma Wetterwachs, die Katzen aus Prinzip ablehnend gegenüberstand. »Außerdem… er hat es wieder getan.«
Nanny Ogg winkte ab.
»Oh, er tut es nur, wenn er sich wirklich in die Enge getrieben fühlt«, erwiderte sie.
»Er hat es letzte Woche getan, in Frau Tappens Hühnerhaus. Sie hörte den Lärm, sah nach… und er machte es direkt vor ihr. Anschließend mußte sie sich hinlegen.«
»Wahrscheinlich hat er sich mehr gefürchtet als sie«, sagte Nanny.
»Das kommt davon, wenn man sich im Ausland Flausen in den Kopf setzen läßt«, entgegnete Oma. »Jetzt haben wir einen Kater, der… Ja, was ist denn?«
Sägefein hatte sich den beiden Alten auf eine zurückhaltende, bescheidene Art genähert und wartete nun halb geduckt, wie jemand, der bemerkt werden möchte, ohne aufdringlich zu wirken.
»Warten die Damen vielleicht auf die Kutsche?«
»Ja«, erwiderte die größere der beiden Alten.
»Äh… ich fürchte, die nächste Kutsche hält hier gar nicht. Sie hält erst in Weidenquelle.«
Die beiden Frauen sahen ihn höflich an.
»Danke«, sagte die Größere und wandte sich an ihre Begleiterin.
»Nun, Frau Tappen hat deswegen einen ziemlichen Schock erlitten. Mir graut, wenn ich daran denke, was er diesmal lernen könnte.«
»Er vergeht vor Gram, wenn ich weg bin. Von anderen läßt er sich nicht füttern.«
»Weil er befürchten muß, vergiftet zu werden. Und zwar aus gutem Grund.«
Sägefein schüttelte traurig den Kopf und kehrte zu den Scheiten zurück.
Fünf Minuten später traf die Kutsche ein. Mit hoher Geschwindigkeit rollte sie durch die Kurve, kam auf eine Höhe mit den beiden Frauen…
… und hielt an. Besser gesagt, die Pferde versuchten stehenzubleiben, und die Räder blockierten.
Die Kutsche kippte gefährlich von einer Seite zur anderen, als sie rutschte und nach etwa fünfzig Metern stoppte. Der Kutscher landete in einem nahen Baumwipfel.
Die beiden Frauen schlenderten über den Weg, noch immer streitend.
Eine von ihnen stieß den Kutscher mit ihrem Besen an. »Zwei Fahrkarten nach Ankh-Morpork, bitte.«
Der Mann fiel aus dem Baum.
»Was soll das heißen, zwei Fahrkarten nach Ankh-Morpork? Die Kutsche hält hier gar nicht!«
»Sie hat bereits angehalten.«
»Steckt ihr dahinter?«
»Wer, wir ?«
»Jetzt hör mal, Verehrteste. Selbst wenn ich hier anhalten würde – eine Fahrkarte nach Ankh-Morpork kostet vierzig Dollar!«
»Oh.«
»Warum habt ihr
Weitere Kostenlose Bücher