Mummenschanz
Bezahl die Frau, Gytha.«
Madame Dämmerungs Perspektive für den Rest der Welt erzitterte kurz. »Ihr nehmt es? Jetzt sofort? Für fünfhundert Dollar? Die ihr sogleich bezahlen wollt? In bar ?«
»Kümmere dich darum, Gytha.«
»Na schön .«
Nanny Ogg drehte sich züchtig um und hob den Rock. Stoff raschelte und knisterte. Die Elastizität diverser Gummibänder wurde auf eine harte Probe gestellt. Einige Sekunden später hielt Nanny eine Geldbörse in der Hand.
Sie zählte fünfzig recht warme Zehn-Dollar-Münzen ab und legte sie nacheinander in Madame Dämmerungs ganz und gar nicht protestierende Hand.
»Und jetzt kehren wir in den Laden zurück, um uns noch einige andere Dinge anzusehen«, verkündete Lady Esmeralda. »Ich möchte Straußenfedern. Und einen der großen Umhänge, wie sie echte Damen tragen. Und einen mit Spitzen eingefaßten Fächer.«
»Warum besorgen wir uns nicht noch einige große Diamanten, wenn wir schon dabei sind?« warf Nanny scharf ein.
»Gute Idee.«
Madame Dämmerung hörte den Zank der beiden Alten, als sie durch den Mittelgang schritten.
Einmal mehr sah sie auf die Münzen in ihrer Hand hinab.
Sie wußte über altes Geld Bescheid: In gewisser Weise war es geheiligt dadurch, daß Leute es viele Jahre lang festgehalten hatten. Sie wußte auch über neues Geld Bescheid: Es steckte in den Taschen der Emporkömmlinge, von denen es in letzter Zeit ziemlich viele gab. Unter ihrem gepuderten Busen war Madame Dämmerung eine Ladeninhaberin von Ankh-Morpork, deshalb zweifelte sie nicht daran, was das beste Geld war: Es befand sich in ihrer Hand, nicht in der einer anderen Person. Das beste Geld gehörte ihr.
Außerdem war sie versnobt genug, Unverschämtheit mit guter Herkunft zu verwechseln. Wirklich reiche Leute können nicht verrückt sein, höchstens exzentrisch, genauso ist ihnen Unhöflichkeit unmöglich. Sie sind höchstens direkt und unverblümt.
Madame Dämmerung folgte Lady Esmeralda und ihrer sonderbaren Freundin. Das Salz der Erde, sagte sie sich.
Sie näherte sich ihnen rechtzeitig genug, um einen eigenartigen Dialog mitzubekommen.
»Ich werde bestraft, nicht wahr, Esme?«
»Weiß überhaupt nicht, wovon du redest, Gytha.«
»Weil ich für ein paar Sekunden Oberwasser hatte, stimmt’s?«
»Ich verstehe wirklich nicht, worauf du hinauswillst. Außerdem hast du selbst bemerkt, daß du überhaupt keine Ahnung hast, was du mit dem Geld anstellen sollst.«
»Ja, aber ich hätte gern keine Ahnung davon gehabt, während ich irgendwo auf einem bequemen Sofa liege, umgeben von einigen starken Männern, die Pralinen für mich besorgen und mir ihre Gunst aufdrängen.«
»Man kann das Glück nicht kaufen, Gytha.«
»Ich wollte es nur mieten, für einige Wochen.«
Agnes stand spät auf, und die Musik hallte noch immer in ihren Ohren wider. Wie im Traum kleidete sie sich an. Allerdings hängte sie zuvor ein Laken über den Spiegel, nur für den Fall.
In der Kantine saßen mehrere Chorsängerinnen, knabberten an etwas Sellerie und kicherten.
Auch André war zugegen. Geistesabwesend aß er etwas und blickte dabei auf ein Notenblatt. Gelegentlich hob er den Löffel und bewegte ihn wie einen Taktstock, während sein Blick in die Ferne glitt. Dann ließ er ihn wieder sinken und kritzelte einige Notizen.
Er bemerkte Agnes und unterbrach seine Vorstellung. »Hallo. Du siehst müde aus.«
»Äh… ja.«
»Hast die ganze Aufregung verpaßt.«
»Ach?«
»Leute von der Stadtwache waren hier, haben mit allen geredet, viele Fragen gestellt und die Antworten ganz langsam aufgeschrieben.«
»Was haben sie gefragt?«
»Nun, du kennst ja die Wächter. Zum Beispiel: Hast du es getan? Ich bezweifle, daß derartige Ermittlungen Erfolg haben.«
»Meine Güte. Ist die Vorstellung bereits abgesagt worden?«
André lachte. Sein Lachen klang recht angenehm. »Ich bin ziemlich sicher, daß Herr Eimer keine solchen Maßnahmen ergreift. Nicht einmal dann, wenn weitere Leute umgebracht werden.«
»Was veranlaßt dich zu dieser Annahme?«
»Die Leute stehen Schlange vor der Kasse!«
»Warum?«
André erklärte es.
»Das ist doch abscheulich!« entfuhr es Agnes. »Du meinst, das Publikum ist deshalb so groß, weil es hier gefährlich werden könnte?«
»So ist eben die menschliche Natur. Nun, manche Leute kommen, weil sie Enrico Basilica hören möchten. Und… nun, Christine scheint recht beliebt zu sein.«
So etwas wie Kummer zeigte sich in Andrés Gesicht.
»Das macht mir
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