Mummenschanz
Hühneraugen ausgestattete, schwielige Monstrositäten zum Vorschein, sondern zwei perfekte Füße. Sie wußte nicht, wo sie beginnen sollte, da eine Behandlung eigentlich gar nicht notwendig war. Andererseits kostete die Pediküre zwanzig Dollar, und unter solchen Umständen fand man immer irgend etwas, mit dem man sich befassen konnte.
Nanny saß neben dem kleinen Berg aus Schachteln, hielt einen Zettel in der Hand und versuchte, alles auszurechnen. Unglücklicherweise mangelte es ihr an Omas Talent für Zahlen. Sie neigten dazu, sich unter ihrem Blick hin und her zu winden. Außerdem bestanden sie immer wieder darauf, beim Addieren falsche Summen zu bilden.
»Esme? Ich schätze, wir haben bisher… wahrscheinlich mehr als tausend Dollar ausgegeben, wobei der Mietpreis für die Kutsche und das Geld für Frau Palm noch nicht berücksichtigt sind.«
»Du hast gesagt, nichts bereitet zuviel Mühe, um einem Lancre-Mädchen zu helfen«, entgegnete Oma.
Aber ich habe keineswegs beabsichtigt, mein ganzes Geld auszugeben, dachte Nanny – und schämte sich sofort. Doch im Bereich der Unterwäsche fühlte sie sich eindeutig leichter.
Die Spezialisten der Schönheit schienen der Ansicht zu sein, daß sie ihr Werk vollendet hatten. Oma drehte ihren Stuhl.
»Nun, was hältst du davon?« fragte sie.
Nanny Ogg riß die Augen auf. Sie hatte viele seltsame Dinge im Leben gesehen, manche sogar zweimal, zum Beispiel Elfen, wandernde Steine und wie ein Einhorn beschlagen wurde. Einmal war ihr ein Bauernhaus auf den Kopf gefallen. Doch eine Oma Wetterwachs mit Rouge erlebte sie zum erstenmal.
Nanny vergaß alle Kraftausdrücke, die sie normalerweise gebrauchte, wenn sie überrascht oder schockiert war. Sie griff auf einen alten Fluch von ihrer Großmutter zurück.
»Da bin ich mogadohrt !« brachte sie hervor.
»Die gnä’ Frau hat außerordentlich gute Haut«, sagte die Kosmetikerin.
»Ich weiß«, erwiderte Oma. »Kann nichts dagegen machen.«
»Da bin ich mogadohrt !« wiederholte Nanny.
»Puder und Schminke«, fuhr Oma fort. »Ha! Das ist nur eine andere Art von Maske. Nun gut.« Sie bedachte den Friseur mit einem schrecklichen Lächeln. »Was schulden wir dir?«
»Äh… dreißig Dollar?« fragte der Friseur. »Das ist…«
»Gib der Fr… dem Mann dreißig Dollar«, sagte Oma und betastete vorsichtig ihr Haar. »Und gib ihm zwanzig mehr für seine Mühe.«
»Fünfzig Dollar? Damit könnte man einen ganzen Frisiersalon kaufen…«
»Gytha!«
»Schon gut, schon gut. ‘tschuldigung, ich gehe nur schnell zur Bank.«
Sie wandte sich ab, hob den Rock…
… Raschel-raschel, Knister-knister, Twingtwang…
… und streckte eine Hand voller Münzen aus.
»Hier, nimm, gute Fr… guter Mann«, sagte sie mißmutig.
Draußen wartete eine Kutsche – die beste, die Oma Wetterwachs mit Nannys Geld hatte mieten können. Ein Lakai hielt die Tür auf, als Nanny ihrer Freundin an Bord half.
»Zuerst fahren wir zu Frau Palm, damit ich mich umziehen kann«, entschied Oma, als die Kutsche losrollte. »Und dann geht’s zum Opernhaus. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit.«
»Ist alles in Ordnung mit dir?«
»Habe mich nie besser gefühlt.« Oma klopfte auf ihr Haar. »Gytha Ogg, du wärst keine Hexe, wenn du nicht vorschnelle Schlüsse ziehen könntest, habe ich recht?«
Nanny nickte. »Stimmt.« In ihr regte sich keine Verlegenheit. Manchmal zwangen einen die Umstände zu einem gedanklichen Sprung ins Ungewisse. Manchmal mußte man der Mischung aus Intuition, Erfahrung und gesundem Menschenverstand trauen, sie zur Grundlage des eigenen spontanen Handelns machen. Nanny war imstande, schon ganz zu Anfang Schlußfolgerungen von enormer Tragweite zu ziehen.
»Zweifellos regt sich hinter deiner Stirn der eine oder andere Gedanke in Hinsicht auf den Geist…«
»Nun, da könntest du recht haben…«
»Was ist mit einem Namen?«
Nanny verlagerte das Gewicht von einem Bein aufs andere. Es war nicht nur die immer noch recht schwere Geldbörse; dazu kam jetzt das Gewicht des Unbehagens.
»Ich muß zugeben, daß mir etwas durch den Kopf ging. Es betrifft ein… Gefühl. Ich meine, man kann nie wissen…«
Oma Wetterwachs nickte. »Ja. Alles ziemlich raffiniert, nicht wahr? Und natürlich eine Lüge.«
»Gestern abend hast du behauptet, daß du alles gesehen hast!«
»Es ist trotzdem eine Lüge. So wie die Lüge über die Masken.«
»Welche Lüge über Masken meinst du?«
»Es heißt, Masken verbergen Gesichter.«
»Das stimmt
Weitere Kostenlose Bücher