Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
auf Scatwell herrschte, wo sie sich einsam fühlte. Die meiste Zeit des Tages war sie allein. Es gab zwar gemeinsame Mittagessen, aber die verliefen meist schweigend, wenn Niall nicht dabei war, abgesehen von belanglosem Klatsch und Tratsch aus dem Tal, der Lili nicht sonderlich interessierte. Niall verbrachte die Werktage meist in seinem Geschäftshaus in Inverness. Und dass Lili ihn begleitete, stand nicht zur Debatte. Nach der Hochzeit, hatte er ihr verschwörerisch angekündigt, nach der Hochzeit kannst du doch mitkommen, solange wir noch keine Kinder haben. Lili fand das lächerlich, aber Nialls Entscheidung entsprang offenbar der Sorge, sie könnten einander vor der Hochzeit zu nahe kommen. Wobei Lili, wenn sie ehrlich war, zugeben musste, dass sie seine Gegenwart auch nicht sonderlich vermisste. Doch das lag nicht an seinem Verhalten. Seit sie in Scatwell angekommen waren, erlebte sie ihn als zuvorkommend und ausgeglichen. Er las ihr jeden Wunsch von den Augen ab und brachte ihr stets ein Geschenk aus der Stadt mit. Ja, er hatte ihr sogar das Reiten beigebracht, was ihr großes Vergnügen bereitete. Und dennoch war er ihr entsetzlich fern. Lili redete sich ein, das werde sich schon wieder geben. Dazu musste sie erst einmal verarbeiten, was Caitlins Tagebuch ihr so alles verraten hatte. Vor allem, dass sie eine Makenzie war und er ein Munroy. Manchmal konnte sie den Gedanken kaum ertragen, den Todfeind ihrer Familie zu heiraten und damit eine von ihnen zu werden. Sie schaffte es ja nicht einmal mehr, Niall wirklich in die Augen zu sehen. Zu groß war ihre Angst, er würde darin erkennen, was für ein ungeheuerliches Geheimnis sie vor ihm verbarg. Glücklicherweise bemerkte Niall nicht einmal ansatzweise, wie sehr sie sich in den letzten Monaten innerlich zurückgezogen hatte. Wahrscheinlich war er nur noch von dem Gedanken beseelt, dass sie am sechzehnten April endlich seine Frau wurde, sodass er die Anzeichen ihrer Entfremdung einfach übersah.
Lili erschauerte bei dem Gedanken an die bevorstehende Hochzeit. Nur noch eine Woche. Dann war es so weit. Dann würde sie zu Lady Munroy. Ein Titel, um den ihre zukünftige Schwägerin sie aus tiefstem Herzen beneidete. Shona ließ keine Gelegenheit aus, stichelnde Bemerkungen über Lilis einfache Herkunft zu machen. Vorzugsweise tat sie dies in Anwesenheit des Personals, und sie achtete peinlich darauf, dass Lady Caitronia nicht in der Nähe war. Doch Lili gelang es meisterlich, der eifersüchtigen Shona die Stirn zu bieten. Gerade beim letzten Mal hatte ihre Schwägerin wieder einmal das Nachsehen gehabt, als sie Lili in Anwesenheit des Dienstmädchens als »Tochter einer Köchin« bezeichnet hatte. Lili hatte daraufhin das Mädchen lächelnd gefragt, ob es ihr wohl einmal die Küche zeigen könne. Sie habe es als Kind immer so anheimelnd gefunden, mit ihrer Mutter und dem übrigen Personal in der Küche zu essen. Das Dienstmädchen hatte sich nur schwerlich ein Grinsen verkneifen können, und Shona war schnaubend davongeeilt.
Wenn man vom Teufel spricht …, durchfuhr es Lili in diesem Augenblick, als ihr zwei Reiter entgegenkamen. Es waren Craig und seine Frau.
Lili grüßte knapp und hoffte, sie würden weiterreiten, doch da ließen sie bereits die Pferde anhalten.
»Wohin des Weges, Lady Munroy?«, versuchte Craig zu scherzen.
»Ich will mir die Tiere ansehen. Dort hinten auf der Weide.« Lili deutete auf eine Schafherde, die den Munroys gehörte.
»Seit wann interessierst du dich für unsere Black Faces?«, fragte Shona lauernd. »Kann es sein, dass du einen Besuch machen willst?«
Lili lief rot an. Sie fühlte sich ertappt. Natürlich hatte sie insgeheim mit dem Gedanken gespielt, wenigstens in der Nähe von Dustens Haus vorbeizuschlendern, denn ein Besuch kam derzeit nicht infrage. Niall hatte ihr strengstens untersagt, das Haus seines Cousins aufzusuchen. Seit dem Eklat mit Blaan Makenzie an Hogmanay hatte Lili weder Dusten noch die alte Dame wiedergesehen. Großmutter Mhairie war seitdem unerwünscht im Castle. Lili hatte gegen diese lächerliche Anordnung ihres Verlobten zwar scharf protestiert, aber mit Niall war in dieser Angelegenheit nicht zu reden gewesen. Er war plötzlich wieder so aufbrausend geworden, dass Lili schließlich klein beigegeben hatte. Sie hielt sich an seine Anordnungen, spazierte aber in regelmäßigen Abständen an dem Haus vorbei, immer in der Hoffnung, Dusten rein zufällig über den Weg zu laufen. Zu ihrem großen Kummer
Weitere Kostenlose Bücher