Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
bleich.
»Hast du das verstanden?«, hakte er nach und trat drohend auf sie zu, doch Mhairie wich keinen Schritt zurück.
»Ich bleibe hier und werde ihnen eine gute Mutter sein. Aber wenn du mich noch einmal schlägst, bringe ich dich um.«
»Ich sagte doch, ich fasse dich nicht mehr an. So, und jetzt her mit der Collane!«
»Sie ist weg!«, fauchte Mhairie.
Wenn sie nur daran dachte, dass sie die Ordenskette der Makenzies erst kürzlich unter dem Bett hervorgeholt und an einen sicheren Ort gebracht hatte. Ihr Onkel war zwar nicht begeistert gewesen, dass sie diese bei ihm im Haus versteckt hatte …
»Nun, dann behältst du sie eben als Erinnerung an deinen Geliebten, der gerade von den Würmern zerfressen wird!«, zischte Angus verächtlich und verließ wutschnaubend das Zimmer.
Mhairie aber stand wie betäubt da und rührte sich nicht vom Fleck, bis sie Brian verzweifelt nach seiner Mutter rufen hörte.
3. Teil
Highlands, April 1914 – Dezember 1914
Es ist das Herz,
das immer eher als der Verstand sieht.
Thomas Carlyle (1795 – 1881),
schottischer Philosoph, Historiker und Essayist
43
Strathconon, April 1914
Lili liebte es, ziellos durch ihre neue Heimat zu streifen. Sie hatte das Tal von Strathconon inzwischen auf eigene Faust erkundet und kannte beinahe jeden Winkel. Manchmal stieg sie auf der anderen Seite des Weges, der durch das Tal an Scatwell vorbeiführte, weit hinauf in die Berge bis zur Hochebene. Dort wanderte sie stundenlang durch die Einsamkeit und beobachtete das Rotwild, wie es in großen Rudeln über Stock und Stein sprang. Oder sie setzte sich auf einen Felsen und blickte zum Himmel hinauf, wo die Adler majestätisch ihre Kreise zogen. Es tat ihr jedes Mal leid, wenn einer von ihnen im Sturzflug auf die Erde zuschoss, um sich mit einem zappelnden Hasen im Schnabel zurück in luftige Höhen emporzuschwingen.
Manchmal aber nahm sie auch eine Staffelei mit und hielt die magischen Farben der Hochebene in Bildern fest, mit denen sie dann ihr Zimmer schmückte. Sie bewohnte einen Raum ganz oben in einem der Türme des Hauses, das ganz im viktorianischen Stil erbaut war und deshalb auch Scatwell Castle genannt wurde. Es war das größte und aufwändigste Haus des gesamten Tals. Und es besaß die prachtvollste Fassade. Bei einer Hausbesichtigung hatte Lili sich in das Turmzimmer verliebt. Niall hatte ihr eigentlich ein großes Gästezimmer zugedacht, wo sie bis zur Hochzeit wohnen sollte. Das war ihr aber viel zu düster mit seinen schweren Möbeln und den dunklen Gemälden. Ganz im Gegensatz zu dem spärlich eingerichteten Zimmer, aus dessen Fenstern sie einen herrlichen Blick über das parkähnliche Anwesen der Munroys genoss. Dort oben saß sie oft und blickte stundenlang ins Grüne.
Ansonsten fühlte Lili sich völlig überflüssig im Haus am River Conon, seit Isobel einen Platz in einem Internat bekommen hatte, in dem sie auch während der Woche lebte. Auch Lili war unglücklich darüber. Zum großen Kummer des Mädchens hatte sie sich nicht gegen Niall und ihre Großmutter durchsetzen können. Liebend gern hätte sie Isobel weiter unterrichtet. Sie war so gelehrig, und es machte großen Spaß, mit ihr zu arbeiten. So versuchte Lili, an den Wochenenden so viel Zeit wie möglich mit dem Kind zu verbringen. Auch das stieß in der Familie auf keine große Begeisterung. Immer öfter nahm Lady Caitronia ihre Enkelin in Beschlag. Sehr zu Isobels Unwillen, doch Niall ließ seine Mutter gewähren. Lili ahnte auch den Grund dafür. Er war insgeheim eifersüchtig darauf, wie unzertrennlich Lili und seine Tochter inzwischen waren.
Anfangs hatte Lili noch versucht, sich im Haushalt nützlich zu machen, aber Shona hatte ihr unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass dort kein Platz für sie sei.
Das alles ging ihr durch den Kopf, als sie an diesem Tag nicht den Weg in die Berge einschlug, sondern hinter dem Haus über grüne Felder und Wiesen in Richtung des Flusses schlenderte. Der beginnende Frühling zeigte sich von seiner reizvollsten Seite. Der Himmel war blau, die Luft klar und kalt, und die Sonne schickte ihre ersten wärmenden Strahlen zur Erde. Der letzte Schnee im Tal war erst vor wenigen Wochen geschmolzen. Und nun zeigte sich die Farbenpracht des Hochlandes in allen nur erdenklichen Schattierungen.
Wie befreiend ist es doch, sich in dieser atemberaubend schönen Natur zu bewegen, dachte Lili schwärmerisch. Ganz im Gegensatz zu der trüben, beengenden Stimmung, die
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