Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
zugeben, dass einer der Gründe auch die Geschichte mit dem Selbstmord seiner ersten Frau war. Das Wissen darum bereitete ihr ein mulmiges Gefühl. So mulmig, dass sie sich beim besten Willen nicht überwinden konnte, ihm in das Haus zu folgen, in dem es womöglich geschehen war. Lili schüttelte sich. Im neuen Jahr werde ich aufhören, mir meinen Kopf über etwas zu zermartern, das mich gar nichts mehr angeht, nahm sie sich fest vor, als sie durch das Schultor trat.
Wie geplant traf sie viel zu früh in der Schule ein, aber ihr war nicht mehr nach einem Verweilen vor dem Kamin zumute. Dazu war sie viel zu aufgeregt. Eine Entscheidung zu treffen, wenn er sich weit fort in den Highlands befand, war die eine Sache, ihm Aug in Aug gegenüberzustehen, nachdem sie seinen Antrag abgelehnt hatte, etwas völlig anderes. Sie hoffte, dass er nicht allzu gekränkt war, doch das vermochte sie sich kaum vorzustellen. Andere Frauen in ihrer Lage hätten sich wahrscheinlich darum gerissen, ihm in die Highlands zu folgen. Lili konnte sich nicht helfen, doch der Gedanke, dass an ihrer Stelle bald eine andere Frau sein würde, versetzte ihr einen kleinen Stich.
Sie musste unbedingt etwas unternehmen, damit ihre aufgewühlten Gedanken zur Ruhe kamen. Vielleicht konnte sie sich im Saal nützlich machen. Dort waren die Hauswirtschafterinnen unter Mademoiselle Laranges Leitung damit beschäftigt, den Raum dezent zu schmücken. Die Weihnachtsdekoration war Jahr für Jahr ein stets wiederkehrender Kampf zwischen der Französischlehrerin und der Schulleiterin. Letztere hielt es nämlich streng mit einer alten Tradition der presbyterianischen Kirche, wonach man Weihnachten, wenn überhaupt, nur bescheiden feiern durfte. »Meine Damen, nun warten Sie doch die paar Tage bis Hogmanay, dann dürfen Sie tanzen, lachen und sich meinetwegen auch beschenken«, pflegte sie stets zu sagen, doch die Französin führte dessen ungeachtet alljährlich ihren Kleinkrieg gegen die strengen schottischen Weihnachtsbräuche.
»Dagegen kann sie doch nischs sagen, oder?«, fragte Mademoiselle Lili zur Begrüßung. »Isch meine, isch will fühlen wie zu Ause, wo isch diese Jahr nisch fahre nach Bordeaux.«
Lili lächelte beim Anblick des karg geschmückten Weihnachtsbäumchens auf der Bühne, von wo die Direktorin später allen schöne Ferien wünschen würde.
»Sie würde uns noch am fünfundswanzischsten schuften lassen, wenn die Kinder eute nicht nach Ause führen. Wo gibt es eine Land, wo diese Tag keine Feiertag ist? Mon dieu. Aben Sie Ihre Lied einstudiert?«
Lili nickte eifrig. Wenn es um Weihnachten ging, wurde die gute Mademoiselle Larange immer recht hektisch. Sie hatte Sorge, es werde eine schmucklose Veranstaltung wie in den ersten Jahren werden, als sie neu an die Schule gekommen war.
»Ja, der Chor klingt wie eine himmlische Heerschar, und unsere begabte junge Isobel singt wie ein Engel.«
Mademoiselle Laranges Blick verfinsterte sich. »Sie wissen, dass sie nach die Ferien nischt mehr zu uns kommt, n’est-ce pas?«
»Nein, das ist mir neu«, entgegnete Lili nicht ganz wahrheitsgemäß. Er hatte sie zwar vorgewarnt, aber dass Sir Niall seine Überlegungen in die Tat umsetzen würde, hatte sie arg bezweifelt. Und das, obwohl sie ihm nicht als Lehrerin für seine Tochter zur Verfügung stehen würde. Trotzdem wollte er sie mitnehmen? Das war grausam. In erster Linie für das Mädchen selbst. Wenn Lili nur daran dachte, wie verstockt Isobel aus den Highlands zu ihnen gekommen war. Und jetzt, wo sie endlich Kontakt zu den anderen Mädchen hatte, wollte er sie all dieser Beziehungen berauben? Nein, das war kein guter Plan. Ob sie mit Sir Niall sprechen sollte? Diesen Gedanken verwarf sie allerdings, kaum dass sie ihn zu Ende geführt hatte. Nach allem, was geschehen war, hielt sie sich nicht für geeignet, Sir Niall auf mögliche Fehlentscheidungen hinzuweisen. Sie sollte ihm lieber, wenn möglich, aus dem Weg gehen.
»Weiß sie es schon?«
»Isch glaube nischt. Mademoiselle Macdonald at es mir unter das Siegel der Verschwiegeneit erzählt. Aber isch dachte, Sie wüssten Bescheid. Der Monsieur hat sisch doch sehr für Ihnen interessiert.«
Lili biss sich auf die Unterlippe. Am liebsten würde sie die Mademoiselle einweihen, denn es wäre so erleichternd, endlich mit jemandem darüber zu sprechen.
Lili seufzte ein paarmal tief. Mademoiselle Larange musterte die Kollegin mit durchdringendem Blick.
»Sie aben doch etwas auf dem Erzen. Das sehe
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