Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
geschlichen.
»Ich habe ihr nur gesagt, dass mir immer so kalt ist. Ob Sommer oder Winter«, entgegnete Mhairie listig.
Niall warf Lili einen fragenden Blick zu.
»Ja, das hat sie gesagt«, bestätigte Lili prompt.
»Und ich dachte schon …«, knurrte Niall. »Dann berichte Lili nur weiterhin von deinen Zipperlein. Damit kannst du keinen Schaden anrichten. Ich beeile mich, damit ich heute Nachmittag Zeit für dich habe, mein Liebling. Es ist so schönes Wetter. Vielleicht schaffen wir es im alten Jahr noch, zur Burg hinaufzuspazieren.«
»Was meint er eigentlich damit, dass du mir Schauermärchen erzählen könntest?«, fragte Lili, kaum dass Niall die Tür hinter sich geschlossen hatte. Trotz aller guten Vorsätze war ihre Neugier wieder erwacht, und sie hoffte, etwas mehr zu erfahren.
Mhairie aber lachte aus voller Kehle, ihr raues, herzliches Lachen. »Du bist mir eine! Willst mir weismachen, dass dich die Geheimnisse der Munroy-Sippe nicht die Bohne interessieren, und dabei platzt du vor Neugier. Aber du warst mir gleich sympathisch, als du Isobel nachgegangen bist, obwohl Niall es dir verboten hatte. Ich spüre deinen Widerstandsgeist, und das mag ich. Manchmal bereut man es ein Leben lang, wenn man seinem Herzen nicht folgt und entsetzlich feige ist.« Ihre Miene hatte sich verfinstert.
»Erzählen Sie mir davon?«
Mhairie stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich kann nicht, mein Kind. Ich würde gern, weil ich im Alter schlauer geworden bin. Aus Fehlern lernt man, und ich weiß, dass die Wahrheit weniger Schaden anrichtet als ein Lügengespinst. Aber ich hätte der armen Caitlin niemals die Wahrheit sagen …«
»Jetzt brechen Sie Ihre Sätze auch schon vor dem Ende ab wie die anderen Familienmitglieder«, bemerkte Lili vorwurfsvoll.
»Entschuldige, mein Kind, das wollte ich nicht, aber man gewöhnt es sich an. Gut, dass du mir den Spiegel vorhältst. Also will ich wenigstens den Satz zu Ende führen. Ich habe der unglücklichen Caitlin eines Tages reinen Wein über den werten Clan der Munroys von Conon eingeschenkt, weil sie doch so verzweifelt war. Es hat ihr aber nichts genützt. Sie hat schließlich doch nur den einen Ausweg gesehen. Man hat sie in den Tod getrieben und mich schlichtweg für verrückt erklärt.«
Mhairie blickte an Lili vorbei in die Ferne, als laufe das ganze Geschehen noch einmal vor ihrem inneren Auge ab.
Lili hielt den Atem an. Da war es wieder. Jenes unangenehme Kribbeln, das ihren ganzen Körper überfiel. Es war ihr, als würde sich der dunkle Schatten, der über der Familie Munroy hing, auf sie senken und sich ihr in alle Poren setzen.
Mhairie wandte sich wieder zu ihr um. »Wie gern würde ich dir alles erzählen, aber nur so viel. Mach dir keine Sorgen. Es ist nichts geschehen, was sich jemals wiederholen könnte. Es ist gut, dass sich Niall eine Ehefrau aus Edinburgh nimmt.«
Was Mhairie wohl sagen würde, wenn sie erfuhr, dass ihr Vater sehr wohl aus den Highlands stammte. Aber das sollte sie ebenso wenig erfahren, wie Lili in das Geheimnis der Munroys eingeweiht wurde.
»Bringst du mich auf mein Zimmer? Ich bin ein wenig erschöpft«, bat Mhairie und gähnte zur Bekräftigung herzhaft.
»Ja, gern, ich nehme mir nur noch ein wenig Shortbread mit auf mein Zimmer.«
Lili griff sich eine Handvoll von dem köstlich duftenden frischen Gebäck, bevor sie Großmutter Mhairie aus dem Sessel helfen wollte. Die aber hatte sich bereits erhoben.
Als sie Lilis erstaunten Blick bemerkte, schmunzelte sie. »Ich bin noch flink wie ein Wiesel, weil ich zu Hause in Scatwell jeden Tag durch die Wälder und über die Ebenen streife. Wenn die anderen wüssten, in welch guter Verfassung ich tatsächlich bin, nähmen sie mir nicht ab, dass ich schwache alte Frau die Mahlzeiten auf meinem Zimmer einnehmen muss. Du kannst mich übrigens Mhairie nennen. Ich halte nichts von diesen steifen Anreden.«
Lili lachte. »Dann gib mir trotzdem deinen Arm, wenn wir über den Flur gehen, damit dir keiner auf die Schliche kommt.«
»Ach, du gefällst mir. Endlich lacht wieder jemand in diesem Haus. Der einzig erträgliche Mensch ist Dusten«, raunte Mhairie und hakte sich bei Lili unter.
Vor ihrem Zimmer wollte sich Lili verabschieden, aber Mhairie bat sie, noch für eine kleine Weile mitzukommen.
Lili war erstaunt, als sie das Zimmer der alten Dame betrat. Sie hatte ein düsteres, muffiges Zimmer erwartet, in dem die Zeit stehen geblieben war, doch es machte einen hellen und freundlichen
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