Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
sie tapfer hinunter. Sie wollte ihr Versprechen in Zukunft halten, selbst wenn es ihr schwerfiel.
»Ich bin müde, Lili. Ich glaube, ich halte einen kleinen Vormittagsschlaf«, gähnte Mhairie und drückte Lili die Flasche und die leeren Gläser in die Hand. »Rechts unten in die Schnürstiefel!«
Lili versuchte aufzustehen, aber sie geriet ins Schwanken.
»Oje, du hast noch nicht oft Whisky getrunken, nicht wahr?«, fragte Mhairie schmunzelnd. »Aber bekomm bitte keinen falschen Eindruck von mir! Ich genehmige mir höchst selten einen Drink und nur in guter Gesellschaft. Und die habe ich leider nicht allzu oft. Einmal abgesehen von Dusten, der es jedes Mal schafft, mich unter den Tisch zu trinken. Also keine Sorge, dass ich Shona nacheifere. Ich glaube, sie ist überhaupt nicht mehr nüchtern.«
Schmunzelnd versteckte Lili Flasche und Gläser in den Stiefeln und wollte Mhairie danach ins Bett helfen, aber die alte Dame hatte sich bereits ausgestreckt. »Hilfst du mir noch aus den Schuhen?«
Lili schnürte ihr die Stiefel auf und zog sie ihr von den Füßen. Sorgfältig stellte sie die Schuhe unter das Bett, bevor sie die alte Frau zudeckte. Dabei stellte sie fest, wie feingliedrig Mhairie war. Lili konnte ihre Handgelenke mit den Fingern umfassen. Ob sie erst im Alter so dünn geworden ist oder immer so schlank war?, fragte sich Lili. Eine unbändige Neugier auf Mhairies persönliche Geschichte brandete in ihr auf. Sie war eine ganz besondere Frau, und Lili hätte allzu gern erfahren, warum sie Angus Munroy geheiratet hatte, offenbar ohne ihn aufrichtig zu lieben. Doch sie hatte versprochen, keine Fragen mehr zu stellen, und daran würde sie sich halten, obwohl es ihr mehr als schwerfiel.
»Schlaf gut«, hauchte Lili und wollte das Zimmer verlassen, doch Mhairie ergriff ihre Hand.
»Ich mag dich sehr und freue mich für meinen Enkel, dass ihm das Leben in Gestalt einer wunderschönen, warmherzigen und aufrichtigen Frau eine zweite Chance gewährt. Mit dir an der Seite wird er sich wiederfinden. Und wenn ihr erst Kinder habt, dann wird das Haus Munroy endlich durch die Kraft des Lichtes und der Liebe erhellt. Bleib bitte bei mir, bis ich eingeschlafen bin. Kurz bevor mich der Schlaf übermannt, tauchen die Gespenster der Vergangenheit auf und foppen mich. Ich bin kein ängstlicher Mensch, habe auch keine Angst vor dem Tod, aber in der Welt zwischen Wachen und Schlafen bin ich empfänglich für die Kundschafter des Sensenmannes.«
»Aber natürlich bleibe ich.« Lili ließ sich vorsichtig auf der Bettkante nieder und hielt Mhairies knochige Hand, bis sie eingeschlafen war. Dann erhob sie sich leise und schlich auf Zehenspitzen aus dem Zimmer. Sie war gerade dabei, die Tür lautlos hinter sich zuzuziehen, als Niall auf sie zutrat.
»Was hast du denn so lange bei Großmutter gewollt?«, fragte er streng.
»Sei leise! Sie ist gerade eingeschlafen«, flüsterte Lili und zog ihn an der Hand von der Tür fort.
»Was wolltest du bei ihr?«
»Ich habe ihr ein wenig Gesellschaft geleistet.« Lili musste sich ein Kichern verkneifen, weil sie an den Whisky dachte.
»Und sie hat dir einen Haufen dummes, wirres Zeug erzählt, nicht wahr?«
»Nein, sie ist eine entzückende alte Dame, die was im Köpfchen hat.«
»Ich glaube, das kannst du nicht beurteilen«, erwiderte Niall in herablassendem Ton. »Du kennst sie nicht und weißt nicht, welches Unheil sie mit ihrer Geschwätzigkeit schon angerichtet hat. Ich möchte nicht, dass du ihre Nähe suchst.«
»Aber sie ist deine Großmutter!«, empörte sie sich.
Niall warf ihr einen vernichtenden Blick zu. »Ich dachte, wir seien uns einig. Ich bin nicht mehr so streng zu Isobel, aber dafür fügst du dich meinen Wünschen.«
Lili überlegte. Das hatten sie ihrer Meinung nach nicht so abgesprochen. Und so betrunken, dass sie nicht mehr wusste, was sie abgemacht hatten, war sie nicht. Aber sie ahnte, dass jeder weitere Widerspruch in einem neuen fruchtlosen Streit enden würde. Außerdem würde er sonst womöglich doch noch etwas von dem Whisky merken. Sie wunderte sich ohnehin, dass er sie nicht längst mit Vorwürfen überschüttete. Vorsichtshalber sprach sie nun in die andere Richtung.
»Ich werde mich bemühen, ihr aus dem Weg zu gehen, aber du kannst nicht von mir verlangen, dass ich darüber meine gute Erziehung vergesse. Wenn mich eine alte Dame wie sie bittet, sie in ihr Zimmer zu begleiten, werde ich das auch in Zukunft nicht ablehnen.«
»Das verlange ich
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