Munroys & Makenzies Bd. 1 - Der Ruf der Highlands
Eindruck. Es war geräumig, hatte große Fenster und war nur sparsam möbliert. Ein Bett mit einem schmiedeeisernen Aufbau, ein Damensekretär, ein Kleiderschrank und eine Sitzecke – mehr enthielt das Zimmer nicht.
»Du hast es schön hier.«
Mhairie lachte. »Aber nur, weil ich unseren Aidan gebeten habe, das ganze Gerümpel zu entfernen. Setz dich!«
Die alte Dame eilte behände zu ihrem Kleiderschrank und kehrte mit einer Flasche und zwei Gläsern zurück. Lili stutzte. Trank Mhairie etwa heimlich Whisky, noch dazu am helllichten Vormittag?
»Ach, mein Kind, in deinem Gesicht kann man so schön lesen. Du fragst dich jetzt bestimmt, ob ich auch eine Trinkerin bin wie Shona.«
»Das nicht, aber ich frage mich, was in deinem Schrank noch so alles lagern mag«, entgegnete Lili scherzhaft.
»Ich liebe Whisky, aber es macht mir keinen Spaß, mit den anderen zu trinken. Außerdem schmeckt mir das gekaufte Zeug nicht. Dieser ist uralt. Ich bekam ihn vor mehr als sechzig Jahren geschenkt. Nicht nur diese Flasche, sondern mehrere Fässer. Ich hatte sie bei meinem Vater im Keller versteckt, und als ich Angus heiratete, wollte er nicht, dass ich den Whisky mitnahm. Das war unser erster großer Krach und beinahe der einzige. Ich lernte nämlich rasch, ihm nicht zu widersprechen. Wie du siehst, habe ich gesiegt. Heute lagert immer noch ein Fass davon bei Dusten im Keller. Er hat ihn aus Scatwell gerettet, als mein Enkel Niall ihn vernichten wollte. Aber nur deshalb, weil er erfuhr, aus welcher Schwarzbrennerei er ursprünglich stammte. Dusten hat damit kein Problem. Er füllt mir den Whisky in unverdächtige Flaschen ab, die ich ungeniert bei mir aufbewahren kann. Slàinte mhath!« Mhairie hob ihr Glas.
Lili lachte laut auf, wurde aber sofort wieder ernst. Musste sie nicht für Niall Partei ergreifen? War es Verrat an Niall, wenn sie darüber lachte, wie Mhairie und Dusten ihn austricksten?
»Slàinte mhath!«, erwiderte Lili, bevor sie den Whisky mit Todesverachtung hinunterschüttete. Sie hatte zwar schon einmal Whisky bei den Denoons getrunken, aber dieser brannte in der Kehle und trieb ihr eine glühende Feuerhitze in den Bauch.
»Es geht doch nichts über einen ehrlichen Schwarzgebrannten«, schwärmte Mhairie, während sie Lili und sich das nächste Glas einschenkte.
»Mein Vater soll mit schwarz gebranntem Whisky gehandelt haben«, hörte sich Lili wie aus heiterem Himmel sagen und biss sich auf die Unterlippe. Das Teufelszeug hatte ihre Zunge gelöst.
»Wieso soll ?« Mhairie blitzte Lili aus ihren wachen Augen neugierig an.
»Ich habe meinen Vater nicht gekannt. Er ist schon vor meiner Geburt tödlich verunglückt«, erklärte Lili hastig.
»Traurige Geschichte. Und deine Mutter?«
»Sie hat als Köchin gearbeitet und alles getan, damit ich Lehrerin werden konnte. Sie hatte Glück. Die Familie, für die sie arbeitete, mochte mich. Man hat mir meine Studien bezahlt und die Stellung an der St. George’s besorgt.«
»Und sie stammte aus Edinburgh?«
»Ja, ihre Mutter war dort schon Köchin bei den Eltern von Doktor Denoon …« Lili stockte und musterte Mhairie prüfend. »Du fragst das doch nur, um sicherzugehen, dass ich keine familiären Verbindungen zu den Highlands habe.«
Mhairie wand sich vor Verlegenheit. »Man kann dir einfach nichts vormachen. Wäre ich doch nur so schlau gewesen wie du, niemals wäre ich damals sehenden Auges in mein Unglück gerannt.«
Lili blickte sie herausfordernd an. »Ich nehme einmal an, dass du mir nicht erzählen willst, welches Unglück du meinst.«
»Meine Heirat mit Angus Munroy«, lautete die prompte Antwort.
Lili verschluckte sich vor Schreck am Whisky und musste husten. Diese Offenheit hatte sie nicht erwartet. Lag es daran, dass Mhairie bereits ihr zweites Glas in einem Zug geleert hatte?
»Wolltest du ihn nicht heiraten?«
»Ach, mein liebes Kind, so betrunken, dass ich dir jetzt die ganze Familiengeschichte preisgebe, bin ich dann doch noch nicht. Aber nun trink! Wenn du einen Munroy heiratest, wirst du ab und zu den Trost des Whiskys brauchen.«
Lili nippte noch einmal an dem Glas, doch dann überwand sie ihren Abscheu, tat es Mhairie gleich und leerte das Glas in einem Zug.
»Warum hat sich Caitlin umgebracht?«, hörte sich Lili nun gleich darauf fragen.
»Frag Niall.«
»Er verbietet mir, danach zu fragen.«
»Dann bleibt auch mein Mund verschlossen.«
Lili stieß einen tiefen Seufzer aus. »Großmutter Mhairie, ich ahne, warum alle im Haus
Weitere Kostenlose Bücher