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Munzinger Pascha

Munzinger Pascha

Titel: Munzinger Pascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Capus
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Scheußliche Sache.«
    »Das geht dich einen Dreck an.«
    »Tauben sind Schweineviecher, weißt du? Keiner traut sich das zu sagen, aber es ist so.«
    »Yep.«
    »Wenn man sie so anschaut, hält man sie für die unschuldigsten Wesen der Welt. Symbole des Friedens. Zu dumm und friedfertig, um auch nur einen Regenwurm anzugreifen, auf Gedeih und Verderb auf das harte Brot angewiesen, das der Mensch ihnen zuwirft. Aber das ist falsch.«
    »Aha.«
    »In Wirklichkeit sind das gefährliche Tiere.«
    »Sicher.«
    »Raffiniert und hinterhältig, verstehst du?«
    »Aber klar.«
    »Deine Taube wollte dich umbringen, Polja. Statt dessen hast du sie erwischt. Sie hat Pech gehabt und du Glück. Langweile ich dich?«
    »Du bist ja besoffen, Max. Es war eine Taube. Kein Panther oder so.«
    |42| »Die wollte dich umbringen, wenn ich es doch sage. Wollte vor dir hochflattern und dich aus dem Gleichgewicht bringen, damit du abstürzt und sie dein Gehirn aus den Trümmern deines Schädels picken kann. Tauben sind so. Das ist wissenschaftlich erwiesen.«
    »Ach ja?« Polja warf mir aus den Augenwinkeln einen amüsierten Blick zu.
    »Tatsache. Die Viecher sind so programmiert worden vor Jahrmillionen, als sie noch in den Felsen hockten und es keine Städte gab. Lebten professionell davon, daß sie Säugetiere aus dem Gleichgewicht und zum Absturz brachten.«
    Jetzt wandte sich Polja ganz mir zu und musterte mich langsam von unten bis oben. Sie war wirklich die Schönste.
    »Wissenschaftlich erwiesen, wie?«
    »Sicher.«
    »Hast du noch mehr lehrreiches Zeug auf Lager?«
    »Ich weiß, wie man leckende Spülkästen in Ordnung bringt.«
    »Großartig.«
    »Und was bei Säuglingen gegen Verstopfung hilft.«
    »Ein Universalgelehrter. Wie mein Großvater.«
    »Das freut mich. Meine Oma hatte leider kein Motorrad.«
    »Schade. Dann sollten vielleicht wir beide mal zusammen ausfahren, was meinst du?«
    Bevor ich antworten konnte, verschwand Polja durch die Tür. Im Fenster sah ich, wie ein Scheinwerfer aufleuchtete. Dann wummerte der Baß einer 76er Sportster durch die Nacht, wurde leiser und verstummte.

|43| 7
    Im Kinderzimmer schnarchte friedlich der Kleine, die grüne Lampe des Baby-Phons vermeldete keine besonderen Vorkommnisse. Ich schaltete den Sender aus, ging zu Bett und löschte das Licht. Ich fühlte, daß ich lange nicht einschlafen würde. Nachdem Polja gegangen war, hatte ich mein Glas stehen lassen und war nach Hause gegangen. Früher hatte das Saufen solchen Spaß gemacht. Eine ganze Jugend lang war Alkohol mein treuer Freund und Seelendoktor gewesen, unerschöpflicher Quell philosophischer Inspiration, Zaubertrank für stundenlanges Gelächter und zuverlässige Brücke über die schwarzen Löcher, die da ständig kalt und saugend lauerten an den Rändern meines ansonsten gefahrlosen Lebenswegs. Natürlich wurde man mit den Jahren gewitzter und tappte nicht gleich in jede Falle. Man vermied etwa allzu lange Blicke in den Sternenhimmel, Spitalbesuche und den Anblick ergrauter Rauhhaardackel, die sich rheumatisch über den Gehsteig quälen. Aber immer wieder taten sich Löcher auf an den unvermutetsten Orten   – beispielsweise an jenem Abend vor vielen Jahren, an dem Ingrid und ich unsere erste gemeinsame Wohnung bezogen hatten. Wir standen müde, aber glücklich im Badezimmer und putzten uns Schulter an Schulter die Zähne. Ich hatte schon alle meine Zähne doppelt abgebürstet, als Ingrid immer noch am dritten Backenzahn oben links herumpolierte. |44| Ich spuckte die Zahnpasta aus und beobachtete, wie der Schaum im Ausguß verschwand. Mein Blick verlor sich in diesem Dunkel, das kein Sonnenstrahl jemals erhellt; ich ahnte die Kälte jener Tiefe, spürte den Sog des schwarzen Lochs, das kraft seiner Gravitation alle Illusionen von Liebe und Licht verschluckt, erschrak ob der Zartheit der Lebensfäden, die mich   – wie lange noch?   – vor dem Fall in jenen bodenlosen Ausguß bewahrten. Voller Entsetzen wich ich vom Waschbecken zurück.
    »Wasch isch losch?« fragte Ingrid. Und weil ich schwieg und sie trotzdem verstand, hatte sie mit ihren Husky-Augen gelacht und mir ihre freie Hand auf den Nacken gelegt.
    Ich lag also im Bett und roch an meiner frischen weißen Bettwäsche, lauschte dem Rauschen der Heizungsrohre und dem Wummern meines Herzschlags und wartete auf den Schlaf. Plötzlich dröhnte ein Motorrad durch die Nacht, wurde schnell lauter und verstummte. Dem Geräusch nach zu urteilen konnte es gut eine 76er

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