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Munzinger Pascha

Munzinger Pascha

Titel: Munzinger Pascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Capus
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Fürsten können von Glück reden, wenn er sie nur entmannen läßt. Andernfalls stopft er ihnen die Ohren mit Schwarzpulver voll und zündet dies an, so daß ihnen die Augen aus dem Kopf springen. Den Offizieren wird ein Fuß und eine Hand abgehackt, die Soldaten zwingt er zu Hunderten, über schroffe Klippen in den Tod zu springen. So hat der friedliebende Kaiser in sieben Jahren mehr Blut vergossen, als zuvor in hundert Jahren den Boden Abessiniens getränkt hat. Es scheint das Schicksal Theodoros’ zu sein, daß er sich zum Feind seiner eigenen Ideale macht.
    Sein größter Traum ist ein gemeinsamer Kreuzzug der abessinischen und europäischen Christenheit gegen die islamischen Erbfeinde. Die vereinigte abessinisch-europäische Armee würde erst Mekka dem Erdboden gleichmachen, dann Cairo schleifen und schließlich Jerusalem befreien.
    Vor zwei Jahren nun hat Theodoros einen Brief an Königin Victoria von England geschrieben, in dem er von Christenkönig zu Christenkönigin um militärische Unterstützung bat. Die Queen ihrerseits bewahrte Haltung angesichts der unerwarteten Vertraulichkeit und schickte dem Negerkönig einen hübschen Revolver mit persönlicher Widmung. Aber das reichte Theodoros nicht: Er wollte erfahrene Männer, die Kanonen gießen können.
    |165| Die Monate vergingen, und die Kanonengießer kamen nicht. Letztes Jahr hat Theodoros die Geduld verloren: Er gab Befehl, sämtliche Europäer in seinem Reich in Ketten zu legen. Es sind insgesamt vierundsechzig, unter ihnen der englische Consul Cameron, ein paar deutsche Missionare sowie ein Schweizer Techniker namens Waldmeier mit Gemahlin und Kind. Soweit ich gehört habe, sind alle Geiseln wohlauf. Aber ich habe wenig Hoffnung, daß eine Handvoll Diplomaten mit schönen Worten ihre Freilassung bewirkt.
    So, lieber Bruder, nun bist Du wieder in Kenntnis gesetzt über die abessinische Politik. In Deinen Ohren mag das alles abenteuerlich und exotisch klingen; für mich wäre es Abenteuer genug, wenn ich Euch diesen Herbst einen kurzen Besuch abstatten könnte; aber ich vermag nichts zu versprechen, weil die Zukunft nicht von mir abhängt. Ich bin ganz und gar in den Ketten meiner Arbeit gefangen, die aber auf Dir, Du armer Sklave der Zivilisation, noch viel schwerer lasten. Gebe Gott, daß der fremden Gesichter nicht zu viele sind, wenn ich einmal heimkomme, denn für Gesichter bin ich sehr konservativ. Und so hoffe ich, Euch alle wohl und gesund wiederzufinden. Amen.
    Spare auch weiterhin hie und da ein Stündchen für mich auf und verzeih mir, wenn ich Dir nicht mit demselben Fleiß antworte; denn 1. bin ich ein anerkannt träger Briefeschreiber; 2. bin ich gleich Uria selten auf einem Platz; 3. will ich bei schlechter Laune nicht schreiben, und die hat man oft in diesem dummen Afrika, das ein wahres Schwarzbubenland |166| ist in Farbe und Charakter. Und nun Gott befohlen und beste Grüße an Deine Gattin Marie, von der Du   – zu Recht, zu Recht!   – unablässig so schwärmst.
    Dein
    Werner Munzinger

|167| 29
    Massaua, 3.   Januar 1868.   Wie so oft reitet Werner Munzinger auf seinem Maultier südlich von Massaua der Küste entlang. Aber diesmal hat er einen seltsamen Begleiter zur Seite. Weit über ihm sitzt hoch aufgereckt ein Mann auf einem Rappen. Die goldbetreßte Uniform glänzt in der Sonne, der Schnurrbart ist schwarz gewichst, die kniehohen Reitstiefel blitzen. Der Mann heißt Sir Robert Napier und ist Marschall der britischen Kolonialtruppen. Er hat Munzinger als Führer, Berater und Dolmetscher engagiert; denn in London hat man von der Expedition zur Auffindung Doktor Vogels gehört und weiß, daß kein Europäer sich am Horn von Afrika so gut auskennt wie der Sohn des ehemaligen Schweizer Finanzministers.
    »Sie werden sehen, Mister Munzinger, die Expedition ist bestens vorbereitet. Es wird uns keinerlei Schwierigkeiten bereiten, die Gefangenen aus den Klauen von Theodoros zu befreien.«
    Werner nickt und schweigt. Ihm ist, als hörte er das Grollen eines fernen Gewitters am Horizont. Wäre er nicht gescheiter hübsch und leise in Massaua geblieben, statt sich an einen Mann mit goldbetreßter Uniform und gewichstem Schnurrbart zu verdingen? Andererseits hat ihm der Schnurrbart ein schönes Honorar versprochen; genug, um endlich wieder nach |168| Olten zu Familie und Freunden zu fahren, die er vier Jahre nicht gesehen hat.
    Werner und Marschall Napier sind unterwegs zur Zula-Bucht, die südlich von Massaua hinter dem nächsten

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