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Munzinger Pascha

Munzinger Pascha

Titel: Munzinger Pascha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Capus
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Massaua absaß, leerte sich mein Warenlager wieder, so daß ich mich Ende Oktober aufs neue zu einer dreimonatigen Reise nach Kassala aufmachte.
    Seit Anfang Januar bin ich nun wieder in Massaua, diesem elenden Nest, das inzwischen der ägyptische Khedive dem türkischen Sultan abgekauft hat. Weshalb ich hierbleibe, fragst Du vielleicht und wunderst Dich, daß ich mich nicht gemütlich einrichte in meinem kühlen Steinhaus in Keren, wo das ganze Jahr ein frischer Wind weht. Wenn ich nur könnte, ich würde noch heute fliehen aus der Gluthitze Massauas   – aber dann sagt mir die Vernunft, daß die europäischen Handelsschiffe mir kaum folgen würden ins abessinische Hochland. So kann ich wohl sagen: Hab keine Ruh’ und keine Rast, nichts, das mir Vergnügen macht.
    Am unangenehmsten ist mir das Leben, wenn ich an einem Ort festsitzen muß, besonders in Massaua. Aber jetzt bereite ich mich vor, wieder einmal ins Landesinnere zu ziehen. Auf der Reise ist das Leben leichter; dann hilft die Abwechslung, das immer romantische Biwak, ganz militärisch eingerichtet. Die Bewährungsprobe steht mir bevor, wenn der große Regen die Straßen unpassierbar macht und ich wieder in Massaua eingekerkert bin wie Napoleon auf St. Helena. Da |162| sind drei Monate mehr als genug, um das gute alte Europa schmerzlich ins Gedächtnis zurückzurufen: schlechtes Fleisch, kein Gemüse, schlechter Koch, brackiges Trinkwasser. Mein Hauptgetränk ist Honigwein, aber dieses Jahr ist Honig auch sehr rar. Das Getreide von halb Abessinien haben die Heuschrecken gefressen, ich selbst verlor eine ganz famose Ernte. Wir haben eine schlimme Hungersnot, alle Lebensmittel sind sehr teuer. Mit meinen Geschäften bin ich noch nicht recht im Gleis; Geld kommt langsam und geht schnell. Der Handel füllt meine Tage nicht aus, und das ist schade; denn sonst hätte ich gar keine Zeit zum Unglücklichsein. So habe ich zuwenig Arbeit und doch zuviel; denn die geschäftlichen Verpflichtungen verbieten mir alle wissenschaftliche Betätigung, für die ich mir so viel vorgenommen hatte.
    In Massaua habe ich wenig Gesellschaft; früher war ein junger Schweizer aus La Chaux-de-Fonds in meinen Diensten, aber er ist im Dezember plötzlich gestorben. Du mußt nicht denken, das Klima hier sei ungesund; es ist sehr gesund, aber man muß sich vor der Sonne in Acht nehmen. Das hat der arme Jüngling nicht getan, und dafür mußte er sein Leben lassen.
    Für einige Abwechslung sorgt zur Zeit eine kleine Kolonie von Engländern, die in offizieller Mission unterwegs sind und sich in Massaua niedergelassen haben. Queen Victoria hat sie beauftragt, den englischen Consul Charles Duncan Cameron zu befreien, der am Hof des abessinischen |163| Kaisers in Gondar in Ketten liegt. Es ist dies eine lange und merkwürdige Geschichte, und ich will sie Dir erzählen, wenn Du Zeit und Geduld für eine weitere meiner Negergeschichten hast.
    Wie Du vielleicht weißt, hat vor sieben Jahren ein kleiner Heerführer namens Kassa den Thron erobert und sich als Theodoros II. zum Kaiser von Abessinien krönen lassen. Er ist ein schöner junger Mann, großgewachsen und bärenstark, ein mutiger Krieger mit scharfen Gesichtszügen, langem geflochtenen Haar und markantem Kinn, immer bekleidet mit einer weißen Hose und einem weißen Hemd, das bis zum Knie reicht. Um den Märchenprinzen komplett zu machen, hat der junge Mann auch hohe Ideale und schöne Ziele: Er will den ewigen Bürgerkriegen in Abessinien ein Ende machen, die Bauern vor der Habgier der Adligen schützen, den Sklavenhandel unterbinden, ein ordentliches Steuersystem einführen et cetera. Theodoros gab zu Beginn seiner Herrschaft zu schönen Hoffnungen Anlaß, und ich will Dir gestehen, daß ich selbst zu seinen glühendsten Bewunderern gehörte. Denn tatsächlich ist er der einzige Mann von Genie im ganzen Land; lange hoffte ich, daß mit seinem Aufstieg ein mächtiges Reich entstehen könnte, unter dessen Schutze unsereins einen segensreichen Handel mit Europa aufbauen könnte. Immer häufiger aber bringen die Karawanen schauerliche Neuigkeiten an die Meeresküste. Demnach zieht der arme Theodoros ohne Unterlaß an der Spitze seines Heeres umher, um in allen Winkeln des Reiches aufständische Stammesfürsten |164| zu unterwerfen. Zu Beginn seiner Herrschaft galt er als weise und mild; nun aber scheint er in endlosen Kämpfen ein blutrünstiger Schlächter geworden zu sein. Bei alledem geht er mit den Besiegten höchst unsanft um: Die

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