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Murats Traum

Murats Traum

Titel: Murats Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabian Kaden
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Tischen. Auf was hatte ich mich da eingelassen? Ich lief noch eine Weile durch die unbekannten Straßen, und als ich zehn nach neun wieder dort war, sah ich Philipp gleich an dem Tisch am Fenster. Er strahlte übers ganze Gesicht und sprang auf, als ich durch die Tür marschiert kam.
    Wir gaben uns die Hand, ein bisschen verlegen. Ich setzte mich mit heißen Ohren. Der Kellner brachte die Karten. Philipp fing gleich an zu lesen. Ich beobachtete ihn, seine schlanken Hände, die Finger mit ihren kurzen, sauberen Nägeln. Er trug eine helle Leinenweste auf seiner nackten Haut. Ich hä tte am liebsten die Hand nach ihm ausgestreckt. Warum hatte ich ihn in der Werkstatt nicht angefasst, diese helle, trocken schimmernde Haut? Ich hatte ihn überhaupt noch nie berührt, nur eben beim Handschlag. Seine Frisur war ein bisschen auffälliger als am ersten Tag, mehr nach oben gestellt. Wie lange hatte er dafür gebraucht? Seine Lippen kamen mir heute voller und dunkler vor. Für einen kurzen Augenblick erschien seine Zungenspitze; er studierte konzentriert die Karte.
    «Was nimmst du?»
    «Weiß nicht. Was nimmst du? »
    Er antwortete etwas, das ich nicht verstand.
    «Klar, das nehme ich auch.» Ich klappte die Karte zu, erleichtert, dass er mir nicht widersprach und mit irgendwelchen Vorschlägen kam. «Und ein Bier wäre fein.»
    Philipp bestellte, auch für sich Bier, und der Kellner räumte die Weingläser ab, ohne eine Miene zu verziehen. Die H älfte der Tische war inzwischen besetzt, und die Blicke der andern Gäste umschwärmten uns mehr oder weniger unverhohlen, Frauen wie Männer. Ich dachte plötzlich an Murat: dass wir noch nie zusammen in einem richtigen Restaurant gewesen waren.
    «Gefällt es dir hier?», fragte Philipp. «Ich meine, wir können nach dem Essen auch gerne noch wo anders hin, was trinken. »
    «Mal sehen.»
    «Wie geht’s Murat? Warum seid ihr am nächsten Tag nicht mehr zum Dreh gekommen? Hätte gut gepasst.»
    «Keinen Bock.»
    «Ah. Verstehe. »
    «Du, hör mal. Wegen Murat. Ich muss dir noch was sagen. Was in der Werkstatt passiert ist, dass du das nicht falsch verstehst. Also, das war mehr wie ein Spiel gemeint. Ich will nicht, dass du dich irgendwie benutzt fühlst.»
    Da lachte er und sagte: «Keine Sorge. Für mich war es das auch, ein Spiel. Solange ihr euch nicht irgendwie benutzt fühlt ...»
    Ich war platt. Genau das hatte Murat gemeint: Für die sind wir doch bloß harte Schwänze. Ich war misstrauisch, aber ich konnte Philipp nicht böse sein, so ging das Spiel eben, eigentlich waren wir quitt. Und jetzt, das war etwas anderes.
    Philipp lachte wieder und berührte kurz meine Hand auf dem Tisch. Das Bier kam, Flasche, falsche Sorte und zu warm. Ich sagte aber nichts.
    «Und ihr zieht immer zusammen um die Häuser?», fragte er.
    «Kommt vor, ja. Wir kennen uns noch von der Schule.»
    «Und wenn ihr nicht zusammen seid?»
    «Wir sind nur Kumpels. Da übersteht man auch mal einen Tag ohne den andern.» Das gefiel mir, was ich da gesagt hatte. Irgendwie komisch und doppelbödig. «Aber in Wahrheit lassen wir es natürlich nie soweit kommen», fü gte ich grinsend hinzu.
    «Heißt das, ich habe keine Chance?», fragte Philipp im Ton einer Serientussi.
    «Was für ’ne Art von Chance schwebt dir denn vor?» Bruce Willis.
    «Ach, wissen Sie ... Man wird ja so bescheiden.» Er faltete auf dem Tisch seine Hände und nickte betrü bt. «Das Glück ist eine Frage der Bescheidenheit.» Jetzt mussten wir beide lachen und gaben unsere Rollen auf. «Mir ist was Komisches passiert», sagte Philipp. Er schüttelte den Kopf. «Ich musste plötzlich dauernd an dich denken. Schon an dem Abend fing das an, auf dem Heimweg.» Er rü ckte an seinem Besteck herum, um mich nicht ansehen zu müssen. «Dann lag ich in meinem Bett und dachte: Was ist das denn jetzt?»
    Ich schwieg, aufgewühlt von seinen Worten. Was hätte ich dazu auch sagen sollen?
    «Ich konnte nicht schlafen. Ich musste immer denken, wie ich mich verhalten soll, wenn ihr am nächsten Tag wieder auftaucht. Ich dachte: Was machst du, wenn er dich links liegen lässt? Voll die Panik! Dass ihr ü berhaupt nicht auftaucht, wäre mir allerdings nie in den Sinn gekommen. Ich lag wach, und es wurde zwei, es wurde drei ...» Er nahm hastig einen Schluck Bier. «Und dann bin ich wieder aufgestanden. Im Grunde war mir schon klar, dass ich die Nacht durchmachen muss. Nur dazuliegen, das hätte ich nicht ausgehalten.»
    «Und, was hast du

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