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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
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sind auch noch die letzten Reste von Ruprechts Würde beim Teufel. Wo er
geht und steht, wird er mit Hohn und Spott in Form von Klempnerwitzen
überschüttet; man drückt ihn so oft mit dem Kopf in die Kloschüssel - »Das ist
ein Tor zu einer anderen Dimension, Ruprecht!« (die Spülung rauscht) -, dass
seine Haare nie ganz trocken werden. Und es wird immer noch übler, weil in der
Schule jeder, gegen den du nicht ankommst, dein Feind ist, sprich, je mehr
Feinde du hast, desto mehr reihen sich in die Schlange ein, um auch ihren Spaß
zu haben. Ruprecht tapst durch alles hindurch wie ein elefantöser Golem. Er
jault nicht auf, wenn jemand ein Gummiband an sein Ohr schnalzen lässt oder ihm
das Hinterteil mit einem Lineal ritzt oder mit einem Zirkel hineinpiekt oder
ihm nasses Klopapier in die Ohren stopft oder ihm auf den Rücken spuckt oder
einen dampfenden Haufen in seinen Schuh setzt. Er beschwert sich nicht, als
Noddy die Tür zu seinem Labor mit Brettern vernagelt. Er protestiert nicht, als
er nachsitzen muss, weil eine Toilette im Schlaftrakt mit diversen seiner
nicht wasserfesten Habseligkeiten verstopft ist. Er zeigt nicht die geringste
Gemütsregung, als sein Zimmer zum wiederholten Mal mit Girlanden aus Klopapier
verhängt wird. Stattdessen zieht er sich immer mehr in sich selbst zurück - in
die stetig weiter ausufernde Festung, die er täglich mit Doughnuts und einer
neuen Sorte Milchshake vom Ed's untermauert, der SweetDreamz heißt und keine
Milch, dafür aber irgendwie mehr Kalorien als reiner Zucker enthält.
    »Ich habe nur Bedenken, dass die Haltung der Schule einen
etwas provokativen Eindruck erwecken könnte ...«
    »Van Doren ist derjenige, der provokativ auftritt, Howard.
Streng, aber gerecht, das sind wir. Habe ich recht, Bruder?« Graziöses,
ebenholzschwarzes Nicken von dem Wachposten in der Ecke.
»Aber die
Jungen - es hat den Anschein, als ob die Jungen sich gegen ihn verbünden.«
    »Die Jungs kennen die Regeln, Howard, und wenn wir sie bei
einem Verstoß gegen die Regeln ertappen, werden sie dafür bestraft.
Andererseits haben sie alle viel Zeit und Mühe in das Konzert investiert, und
ich kann es ihnen nicht verdenken, dass sie wütend werden, wenn ein Einzelner
aus einer Laune heraus den anderen alles vermasselt. Und ich kann es ihnen auch
nicht verdenken, dass sie diese Wut loswerden müssen.«
»Ja, aber ...«
    »Niemand kommt gegen diese Schule an, Howard.« Der Aktenkoffer
des Automators schnappt zu wie die Kiefer eines Krokodils. »Das wird Van Doren
früher oder später merken. Ich hoffe bloß für ihn, dass es früher der Fall
ist.«
    Und so schaut Howard weiter zu, wie das klebrige Kreisrund
von Van Dorens Gesicht Tag um Tag breiter und milchiger wird, die Leere eines
Esstellers annimmt; Howards innerer Drang, ihn beiseitezunehmen, zu trösten,
einfach nur mit ihm zu sprechen, hält sich die Waage mit einem gleichermaßen
quälenden Schuldgefühl. Denn womit soll Howard ihm schon kommen außer mit
dreisten Lügen? Und wenn er ihm die Wahrheit sagt, inwiefern würde ihm das
helfen?
    Also sagt er nichts, schlägt vielmehr die andere Richtung
ein und vergräbt sich in seinen Geschichtswerken, so wie Van Doren sich in
gehärteten Fetten verkapselt. Mechanisch spult er seinen Unterricht ab, gibt
nichts darauf, ob die Jungen zuhören oder nicht, verabscheut sie insgeheim
dafür, so berechenbar genau das zu sein, was sie sind, jung, mit sich selbst
beschäftigt, gefühllos; er sehnt das Läuten ebenso herbei wie sie, erpicht darauf,
wieder in die Gräben der Vergangenheit einzutauchen, in die endlosen Berichte
von Männern, die zu Zehntausenden in den Tod geschickt worden sind, wie Stapel
farbiger Chips, von fetten Händen über den grünen Stoffbezug des Casinotischs
geschoben - Geschichten von militärisch durchorganisierten Verlusten, von
unerbittlicher, unsinniger Zerstörung, die sich ihm mehr denn je erschließen,
als Archetyp, dessen trüber, vernebelter Schatten der Schultag mit seiner
Mühsal und Odnis ist. Frauenlose Welten.
    Draußen herrscht mittlerweile grausamer Winter, kalter
Regen peitscht auf Howard ein, wann immer er zur Tür hinaus geht; jeden Morgen
wacht er mit einem scheußlichen Geschmack im Mund auf, als hätte er gerade eine
dreitägige Sauftour hinter sich. Er denkt an Halleys magische Kamera, die jeden
Ort der Welt in Kalifornien verwandeln kann. Jeden Abend hofft er auf einen Anruf
von ihr, aber es kommt keiner.
    Und dann liegt eines Tages in der Schule ein

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