Murray, Paul
Paket für
ihn. Es enthält einen in ordentlicher, schnörkeliger Schrift geschriebenen
Brief. Er ist von Daniel Justers Mutter.
Mein Mann hat mir erzählt, dass Daniels
Klasse gerade den Ersten Weltkrieg durchnimmt, und ich habe mir gedacht, dass
Ihre Schüler das hier vielleicht interessieren könnte. Es gehörte meinem Großvater
William Henry Molloy. Nach seinem Abgang von Seabrook kämpfte er mit den Royal
Dublin Füsiliers in Gallipoli. Er hat nie über seine Erlebnisse gesprochen und
die Uniform ganz oben in einem Kleiderschrank in einer Schachtel versteckt
aufbewahrt, in der Annahme, dass niemand von uns sie dortfinden würde. Daniel
war zu jung, um sich an seinen Urgroßvater zu erinnern, trotzdem fand er es
sehr spannend, etwas über seine Teilnahme am Krieg zu erfahren, und hätte seine
Klasse sicher gern daran teilhaben lassen.
In dem Paket, sorgsam in Seidenpapier eingeschlagen, liegt
eine khakifarbene Armeeuniform. Howard hält sie in das Licht, das durch die
Fenster des Lehrerzimmers fällt. Der grobe Stoff weist nicht das kleinste
Fleckchen auf und riecht leicht muffig; er lässt ihn durch seine Hände gleiten
wie Ballen purer Zeit.
»Was haben Sie denn da, Howard?«, fragt Finian Ö Dälaigh.
»Ach, nichts, gar nichts ...« Howard lächelt ihm flüchtig
zu, legt die Uniform wieder zusammen und verstaut sie hastig in seinem Spind.
Später, als sie das Zimmer für sich haben, zeigt er sie
Jim Slattery. Sein älterer Kollege mustert das raue Köpergewebe eingehend, als
wäre die Geschichte des Feldzugs in seine Fasern eingeschrieben. »Siebtes
Bataillon«, sagt er. »Dazu gibt es eine Geschichte. Ist sie Ihnen noch nie
untergekommen? Die >D<-Company? Gallipoli? Die Suvla-Bucht?«
Mit Gallipoli assoziiert Howard vage ein zu trauriger
Berühmtheit gelangtes Desaster, bei dem Tausende Australier den Tod gefunden
haben, aber das ist auch schon alles. »Es waren nicht nur die Männer vom
australischen und neuseeländischen Armeekorps«, sagt Slattery. »Falls Sie das
Thema interessiert, ich habe ein paar Bücher dazu.«
Am selben Abend trifft sich Slattery, nach Erhalt einer
Sonderausgangserlaubnis von seiner Frau, mit Howard in dem gemütlichen
Nebenzimmer des Ferry und schildert ihm die tragische Geschichte der >D<-Company,
von ihrer Formierung beim Ausbruch des Kriegs bis zu ihrer fast vollständigen
Vernichtung an einem unbedeutenden Berg auf der Halbinsel Gallipoli. Ohne
recht zu wissen, warum, hat Howard Molloys Uniform in einer Tragetasche
mitgebracht und wird sich im Lauf der Erzählung zunehmend ihres Vorhandenseins
bewusst - ein Geist in tristem Oliv und Beige, der an ihrer Unterhaltung teilhat.
»Es waren Mitglieder von Rugbyvereinen aus dem ganzen
Land, sie gehörten zu den Ersten, die sich freiwillig meldeten. Die meisten
waren berufstätig, hatten bekannte Schulen besucht, darunter auch Seabrook,
und arbeiteten nun in Unternehmen, Banken, Kanzleien und Büros. Noch bevor sie
überhaupt in den Krieg zogen, erlangten sie in Irland einige Berühmtheit, weil
sie die Offizierslaufbahn hätten einschlagen können, stattdessen aber lieber
mit ihren Freunden zusammenbleiben wollten. Man nannte sie die >Dubliner
Kameraden<, und am Tag ihrer Verschiffung nach England säumten gewaltige
Menschenmengen ihren Weg durch die Stadt bis zum Hafen.
Sie hatten erwartet, an die Westfront geschickt zu werden,
und stellten erst an Bord ihres Schiffes fest, dass es Richtung Türkei ging.
Churchill verfolgte den Plan, eine Passage durch die Dardanellen zu erzwingen,
um eine neue Nachschubroute nach Russland zu schaffen und die Deutschen von der
Front abzuziehen. Ein bereits erfolgter Versuch, auf Gallipoli zu landen, war katastrophal
gescheitert. Sie hatten es mit einer List versucht, wie einstmals die Griechen
mit ihrem Trojanischen Pferd - hatten eine Division in ein altes Kohlenschiff
verfrachtet, das direkt den Strand anlaufen und die Türken überrumpeln sollte.
Aber die Türken lagen mit Maschinengewehren auf der Lauer. Angeblich färbte
sich die ganze Bucht rot von Blut. Bei diesem neuen Vorstoß litten die
Befehlshaber unter derartigem Verfolgungswahn, dass sie ihre Planungen
gänzlich für sich behielten, was dazu führte, dass keiner der Beteiligten
wusste, worin eigentlich seine Aufgabe bestand. Die >D<-Company und die
übrigen Dubliner wurden ohne Kartenmaterial und ohne Weisungen am falschen Ort
an Land gebracht. Es herrschten Temperaturen bis zu vierzig Grad, die Türken
hatten die Brunnen
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